Petra Ewald im Interview

"Es ist wichtig, guten Mitarbeitern Entwicklungsmöglichkeiten anzubieten"

Uhr | Aktualisiert
von René Mosbacher, Simon Zaugg

Die Suche nach qualifiziertem Personal wird in Zeiten des Fachkräftemangels zusehends schwieriger. Wie einer der grössten Schweizer ICT-Arbeitgeber damit umgeht, wollte die Netzwoche von Petra Ewald wissen. Sie ist Leiterin Personalentwicklung bei Swisscom IT Services (SITS).

Frau Ewald, alle jammern über den Fachkräftemangel – Sie auch?

Wir haben glücklicherweise nicht allzu grosse Probleme. Im letzten Jahr konnten wir unsere offenen Stellen mit den jeweiligen Wunschkandidaten besetzen. Der einzige Bereich, wo es wirklich schwierig war, war jener der SAP-Spezialisten. Doch dort geben wir auch entsprechend Gegensteuer. Die damalige Resource AG, heute der Bereich «Swisscom IT Services Enterprise Solutions AG», hatte bereits 2007 eine Ausbildungsinitiative gestartet, mit der wir heute sehr gute Erfahrungen machen. Voraussetzung für den Einstieg in dieses einjährige Ausbildungsprogramm ist eine Informatiker-Ausbildung.

Dann bieten Sie ja auch «normale» Berufsausbildungen an. Haben Sie Schwierigkeiten, Ihre Informatiker-Lehrstellen zu besetzen?

Ganz im Gegenteil. Unsere Lehrstellen sind sehr begehrt, und wir haben in der Regel keine Probleme, gute Lernende zu finden. Wir investieren auch sehr stark in die Berufsausbildung.

Ein Problem ist heute auf der anderen Seite: Zu wenige junge Leute absolvieren ein Informatik-Studium. Gibt es dafür eine Erklärung?

Über die Gründe kann ich nur mutmassen. Vielleicht ist die Konzeption der Studiengänge zu wenig attraktiv. Ich glaube, dass der Beruf des Informatikers zwar schon als attraktiv empfunden wird. Die jungen Leute haben Spass daran, die neuen Technologien zu nutzen. Wenn es dann aber darum geht, etwas zu entwickeln, dann scheint sie das weniger zu interessieren.

Können Sie mit gut ausgebildeten Lernenden auch den Mangel an Hochschulabsolventen kompensieren?

Es ist uns ein grosses Anliegen, dass wir möglichst viele Lernende auch nach der Ausbildung weiter beschäftigen und ihnen eine berufliche Karriere ermöglichen. Es kommt oft vor, dass einige im Laufe der Jahre in Kaderpositionen kommen.

Können Sie den Verlauf einer solchen Karriere einer Person, die sich hochgearbeitet hat, an einem Beispiel erläutern?

Wie bereits angesprochen, haben wir im SAP-Bereich eine Reihe von Absolventen unseres Ausbildungsprogramms, die sich innerhalb von drei, vier Jahren zum Projektleiter weiterentwickelt haben. Es gibt auch solche, die ein Team leiten, also eine Managementposition bekleiden.

Wie aktiv betreibt SITS Hochschulmarketing, um Studierende anzuwerben?

Swisscom schneidet in Hochschulrankings immer wieder sehr gut ab und landet regelmässig in den Top 10. Das hängt auch damit zusammen, dass wir da sehr aktiv sind und an Anlässen und Messen das Gespräch mit Studierenden suchen. Besonders aktiv rekrutiert unsere auf Finanzdienstleistungen fokussierte Tochtergesellschaft (ehemals Comit) an den Hochschulen.

Was sind aus Ihrer Sicht die Haupttrends im Recruiting in den letzten fünf Jahren?

Die Recruiting-Kanäle haben sich verschoben vom Inserat in Printmedien und auch teuren Personalvermittlungen hin zum Internet. Dieser Trend ist generell am Markt zu beobachten. Aber auch wir rekrutieren sehr stark über das Internet. Die Quote liegt etwa bei 75 Prozent.

Ist der Rekrutierungskanal auch von den Funktionsstufen abhängig?

Top-Management-Positionen werden natürlich nicht im Internet ausgeschrieben. Das läuft immer noch sehr stark über die Personalvermittlung. Das Gleiche gilt im einen oder anderen Fall für Spezialisten mit ganz besonderen Skills. Sonst ist aber tatsächlich fast alles im Internet ausgeschrieben.

Es gibt ja noch Plattformen für Spezialisten und Top-Kader wie Experteer.

Genau. Auch die Plattform Xing darf man nicht vergessen, die speziell darauf ausgerichtet ist, Kontakte zu knüpfen. Diesen Kanal nutzen wir immer stärker.

Wie nutzen Sie denn Xing konkret?

Die Rekrutierung in sozialen Netzwerken läuft stark über die Linie. Wenn zum Beispiel eine Teamleiterin eine Vakanz in ihrem Team hat, kann sie die Stelle über ihr Xing-Netzwerk bekannt machen. Auf diese Weise ergeben sich viele neue Möglichkeiten – ähnlich wie bei der klassischen Mund-Propaganda. Über die Hälfte der Mitarbeiter bei Swisscom IT Services pflegen in Businessnetzwerken ihre Kontakte. Diese Kontakte nehmen bei der Rekrutierung je länger desto mehr eine grosse Bedeutung ein.

Und Sie schreiben Ihre Stellen ja auch auf Ihrer Webpräsenz aus …

Klar. Und zusätzlich auch auf den gängigen Jobportalen. Das Ganze ist dann auch an die Möglichkeit gekoppelt, sich direkt online bei uns zu bewerben.

Vor allem grosse Unternehmen haben in den letzten Jahren damit begonnen, Online-Recruiting-Plattformen aufzubauen. Was ziehen Sie für einen Nutzen aus Ihrer Recruiting-Plattform?

Damit können wir Bewerbungen sehr effizient bearbeiten. So kann man etwa schneller überprüfen, ob sich jemand schon einmal beworben hat, für welche Stelle und was die Gründe waren, warum es nicht zur Anstellung kam. Das Tempo des Recruiting-Prozesses hat sich merklich erhöht. Grosse Kosten¬einsparungen konnten wir deswegen bisher noch nicht ausweisen.

Hat das damit zu tun, dass Sie insgesamt mehr Dossiers zu bearbeiten haben? Etwa weil Bewerber ihre Dossiers breiter streuen, zum Beispiel auch via Personalvermittler?

Nur bedingt, denn alle, die sich bei uns bewerben wollen, müssen sich auf der Plattform registrieren. Die Daten kommen somit strukturiert zu uns und wir können diese effizient bearbeiten. Aber es ist schon so, dass wir mit Inseraten auf Jobportalen eine grössere Masse erreichen als mit einem Personalvermittler.

Inwiefern ist absehbar, dass Sie im Rekrutierungsprozess dank der Onlinemöglichkeiten auch Kosteneinsparungen erzielen können?

Die Ausschreibung selbst ist nicht so kostenintensiv. Der Bewerbungsprozess mit den entsprechenden Gesprächen, Abklärungen, Tests usw. bis zur Anstellung bleibt gleich.

Wie wichtig ist der interne Rekrutierungskanal?

Grundsätzlich schauen wir erst einmal intern, ob wir geeignete Kandidaten für eine offene Stelle finden können. Die Rekrutierung ist das eine. Das andere ist, dass man gute Mitarbeiter ans Unternehmen bindet und ihnen Entwicklungsmöglichkeiten bietet.

Was bieten Sie hier genau an?

Wir beginnen jetzt systematisch damit, eine gezielte Personalentwicklung aufzubauen. In sogenannten Personal-Cockpits verschafft sich das Management in den einzelnen Einheiten einen Überblick darüber, wo ihre Top-Talente, ihre High- und Low Performer sind. Letztlich geht es dabei auch um die Nachfolgeplanung für Schlüsselpositionen. Damit wollen wir gezielt Mitarbeiter aufbauen. Denn man darf nicht vergessen: Abgänge von Top-Leuten sind immer mit einem enormen Know-how-Verlust verbunden.

Dann heisst das, dass Sie in den letzten Jahren viel Potenzial nicht genutzt haben?

Das können wir natürlich noch nicht beziffern, weil wir das Programm erst vor kurzem gestartet haben. Natürlich haben wir vorher einiges getan in diesem Bereich. Aber das, was wir jetzt vorhaben, ist schon viel systematischer.

Wie genau wollen Sie die Talente denn fördern?

Wir fördern unsere sogenannten Top-Talents in stufengerechten, spezifischen Programmen. Das heisst, dass wir die jungen, noch nicht so erfahrenen Talente nicht gleich behandeln wie die erfahrenen Talente. Sowohl in Fachbereichen als auch auf sämtlichen Kaderstufen gibt es besondere Talente, deren Potenzial wir gezielt fördern. Eines unserer Kernanliegen ist es, unseren Mitarbeitern ein breites Spektrum an Wissen zu vermitteln und Möglichkeiten zu bieten.

Zu den Fördermassnahmen gehört etwa das Mentoring, also die Weitergabe von fachlichem Wissen oder Erfahrungswissen an eine eher unerfahrene Person über Hierarchiestufen hinweg. Dann gehört auch die Job-Rotation dazu, bei der Mitarbeiter für eine bestimmte Zeit einen anderen als ihren angestammten Bereich sehen.

Es arbeiten generell sehr wenige Frauen in der IT. Haben Sie bei SITS bestimmte Programme, um die Frauen für das Berufsfeld gewinnen zu können?

Da sind wir sehr bemüht und arbeiten mit Frauen-Netzwerken sowie auch Berufsverbänden zusammen. Zusätzlich organisieren wir Anlässe, an denen wir unser internes Frauen-Netzwerk stärken. Auch die Möglichkeiten, dass wir vermehrt Homeoffice oder Teilzeitarbeit ermöglichen, macht uns attraktiver für Frauen.

Eine Möglichkeit besteht auch darin, Personal im Ausland zu rekrutieren. Ich nehme an, Sie machen das auch so?

Er ist für uns sicher nicht so wichtig wie für die ganz grossen internationalen Konzerne. Wenn wir im Ausland suchen, dann vor allem in den angrenzenden Ländern. Allerdings muss man das in Relation betrachten. Einer unserer Assets ist die «Swissness». Das heisst, dass wir unseren Kunden auch Ansprechpartner zur Verfügung stellen können, die sich in den Schweizer Landessprachen und vor allem auch in Deutsch gut verständigen können.

Gewisse Spezialisten gibt es in der Schweiz nicht. Wie attraktiv ist Swisscom dann für einen Spezialisten aus Osteuropa oder Indien? Gibt es in der auf «Swissness» ausgerichteten Swisscom auch sprachliche Barrieren?

Personen, die nur Englisch respektive keine der Landessprachen sprechen können, haben es schwer bei uns. Dies ist gerade deshalb besonders problematisch, weil wir viele Mitarbeiter haben, die wenig Englisch sprechen. Und auch die interne Kommunikation geschieht in den Landessprachen und nicht in Englisch. Dazu kommt, dass es sehr schwierig ist, wegen der begrenzten Kontingente für Nicht-EU-Ausländer aus diesen Gebieten Fachkräfte zu rekrutieren. Im Personalbereich können wir aber künftig von der Ende des vergangenen Jahres eingegangenen strategischen Partnerschaft mit der international tätigen HCL Technologies profitieren.

Neue Mitarbeiter zu rekrutieren ist das eine, Mitarbeiter zu halten das andere, wie Sie bereits erwähnten. Wie sieht es eigentlich bei Ihnen mit der Fluktuationsrate aus?

Bei Swisscom IT Services haben wir eine gesunde Fluktuation von weniger als neun Prozent. Eine gewisse Fluktuation ist ja auch erwünscht, um frischen Wind ins Unternehmen zu bringen. Doch wir haben sehr viele langjährige Mitarbeiter, weil wir eben gerade viel in die Mitarbeiterentwicklung investieren.

Gibt es in der schönen neuen und vor allem auch schnelllebigen IT-Welt im Vergleich zu anderen Unternehmensbereichen mehr Wechsel?

Die Technik entwickelt sich sehr dynamisch, und man muss immer neu dazulernen. Im Rahmen unseres Programms «Personal Cockpit» sehen wir, dass sich viele Mitarbeiter in der sogenannten «Wachstumsphase» befinden. Das hat nicht unbedingt damit zu tun, dass wir besonders viele unerfahrene Personen angestellt haben, sondern mit der Branche selbst. Die IT wandelt sich schnell. Während sich Mitarbeiter in anderen Branchen nach etwa sechs bis acht Jahren langsam zu langweilen beginnen, müssen sie sich in der IT ständig verändern.

Ich würde deshalb eher die Gegenthese wagen. Ein Mitarbeiter muss in der IT im Vergleich zu anderen Branchen nicht unbedingt die Stelle wechseln, um sich beruflich zu verändern. Die Fluktuation aufgrund des Veränderungswunsches dürfte in der IT eher tiefer sein als anderswo.