Die Bank als Arbeitsgeber

Trotz Spardruck und Stellenabbau: IT-Spezialisten noch immer gefragt

Uhr | Aktualisiert
von Vincenzo Picone

Die Schweizer Banken befinden sich in einem tiefgreifenden Strukturwandel, ausgelöst im Wesentlichen durch die andauernde Finanzkrise. Der Glanz der Bankeninformatik ist in der Folge etwas verblasst. Doch gut ausgebildete Spezialisten mit den richtigen Profilen finden in den Banken noch immer interessante Arbeitgeber.

Die schweizerische Finanzbranche durchlebt seit einiger Zeit einen grundlegenden Wandel. Eine erste Änderungswelle brachte das Aufkommen des Internets mit sich und damit das Onlinebanking. Diesem Trend – weg vom persönlichen Kundenkontakt hin zum virtuellen Schalter – galt es sich anzupassen, um weiterhin wettbewerbsfähig bleiben zu können. Eine zweite Welle brachte die Erneuerung der oft noch selbstentwickelten Kernbankenapplikationen durch standardisierte Softwarelösungen. Die Einführung der Standardlösungen ging oft auch mit einer Auslagerung des Plattformbetriebs und des Applikationsmanagements einher.

Mit der Wucht eines eigentlichen Tsunamis brach schliesslich die Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 und 2009 über die hiesige Finanzbranche herein. Die Krise führte zum einen zu einem drastischen Wandel im Verhalten der Kunden gegenüber ihren Banken: Nachdem sie mitansehen mussten, wie selbst die Grossbanken an den Rand des Kollapses trieben, sind sie heute offensichtlichen Risiken gegenüber viel skeptischer eingestellt. Zum anderen sind die Banken gezwungen, neue verschärfte regulatorische und gesetzliche Vorschriften umzusetzen. Die Aufweichung des Bankkundengeheimnisses stellt eine zusätzliche und unberechenbare Herausforderung an die Flexibilität der Institute dar. Das Resultat: Die Traummargen der letzten Jahre werden bei weitem nicht mehr erreicht.

Da eine moderne Bank zu einem grossen Teil auf Informatik basiert, bleiben all diese Entwicklungen nicht ohne Wirkung auf die IT-Abteilungen. Eine Folge der Krise ist ein hoher Spardruck: Die Banken müssen Kosten einsparen, und die Informatik bekommt dies oft direkt zu spüren, da sich hier schnell grosse Einsparungen erreichen lassen. Projekte, die nicht unbedingt gleich durchgeführt werden müssen, werden auf Eis gelegt. Meist handelt es sich jedoch nur um ein Aufschieben, da die Arbeiten doch irgendwann erledigt werden müssen. Weiterhin investiert wird derzeit noch in Projekte zur Umsetzung neuer Regulatorien und Gesetze. Rahmenwerke wie Fatca oder Basel III und neue Vorgaben der schweizerischen Finanzmarktaufsicht Finma zwingen die Banken dazu, ihre Informatik anzupassen.

Fachkräftemangel abgeschwächt

In der Tat zeigen sich die Auswirkungen der Bankenkrise inzwischen auch auf dem Arbeitsmarkt für Informatiker. Gemäss der Statistik des Amts für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Zürich waren im September 2012 735 Informatiker im Kanton auf Jobsuche, 18 mehr als im Vormonat. Im Oktober 2011 meldete das AWA noch 612 arbeitslose Informatiker, seither stiegen die Zahlen kontinuierlich. Gleichzeitig verzeichneten die regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) des Kantons nur 74 offene Jobs im Informatikbereich. Im Amt führt man die Entwicklung denn auch konkret auf die Situation im Bankensektor zurück, von dem die regionale IT-Branche stark abhängig sei. Schätzungen des Zürcher AWA gehen davon aus, dass 2008 drei von zehn Informatikern im Kanton bei einem Finanzdienstleister angestellt waren. Dies führt dazu, dass der Informatikfachkräftemangel, der seit Jahren allseits als chronisches Problem auf dem Schweizer Arbeitsmarkt konstatiert wird, sich derzeit weniger stark akzentuiert zeigt als in der Vergangenheit.

Das heisst nun nicht, dass es keinen Fachkräftemangel mehr gibt. Im Vergleich zu vergangenen Jahren ist die Lage im Moment aber deutlich entspannter. Aufgrund von Entlassungen sind derzeit wieder mehr Fachkräfte auf dem Markt verfügbar. Damit steigt auch der Druck auf die Löhne. In besonderem Mass – aber nicht nur! – betrifft dies die externen Spezialisten. Hier liegen die bezahlten Löhne gut und gerne 5 bis 20 Prozent tiefer als noch vor ein paar Jahren. Dabei gilt es, festzuhalten, dass sich die Löhne früher auf sehr hohem Niveau bewegten – allerdings beileibe nicht unbegründet: Spezielles Know-how, kostspielige Ausbildungen sowie der Lohnausfall, der zwischen zwei Anstellungen droht, haben eben ihren Preis.

Anstellungsstopps und Polyvalenz

Eine generelle Aussage, ob die offenen Positionen Festanstellungen betreffen oder ob eher externe Mitarbeiter gesucht werden, ist schwierig zu treffen. Das hängt ganz von der einzelnen Firmenstrategie ab. In der Tendenz werden momentan aber Externe als Folge des Spardrucks eher abgebaut; so lassen sich nämlich Projektbudgets schnell reduzieren. Weil sich aber manche Unternehmen einen Stopp der Festanstellungen auferlegt haben, müssen sie auf die Zusammenarbeit mit externen Mitarbeitern ausweichen, um an zusätzliches Know-how zu gelangen. Dies kann etwa jene Institute betreffen, die durch gewisse Umstände wichtige Projekte weiterführen müssen. Da es sich dabei um absehbar befristete Arbeiten handelt, wird dazu gerne auf die Hilfe externer Spezialisten zurückgegriffen. Diese werden dann über das bereits definierte Projektbudget bezahlt; sie bleiben, bis das Projekt oder zumindest der Teil, für den sie angeheuert wurden, beendet ist.

Eine Folge der Sparanstrengungen ist, dass die Banken immer öfter eine grosse Bandbreite von Fähigkeiten und Wissen von den Bewerbern verlangen. Im Idealfall wollen sie so eine Position mit einem neuen Mitarbeiter besetzen, für die sie früher zwei Spezialisten angestellt hätten. Solche polyvalenten Mitarbeiter sind aber selbstverständlich auf dem Arbeitsmarkt nicht einfach zu finden. Wer eine so vielfältige Expertise aufweisen kann, darf dafür sicher eine angemessene Entlöhnung verlangen, bietet er seinem Arbeitgeber doch einen deutlichen Mehrwert.

Analytische Profile sind gefragt

Die Konzentration auf Projekte zur Umsetzung von Regulatorien und gesetzlichen Auflagen führt dazu, dass heute vor allem analytische Profile wie Businessanalysten oder Requirement-Engineers sehr gesucht sind. Hier sind die Finanzdienstleister auch noch bereit, höhere Gehaltsforderungen zu akzeptieren, um Mitarbeiter mit den passenden Profilen zu gewinnen. Bei diesen Profilen geht es um die Verbindung des Business mit der IT. Sie analysieren die Anforderungen aus den Fachabteilungen oder den neuen Auflagen und erstellen daraus die zur Umsetzung benötigten Spezifikationen. Sie legen fest, was neu entwickelt, angepasst und automatisiert werden muss. Dabei arbeiten sie eng mit den Fachabteilungen zusammen, damit die Bedürfnisse und Erfahrungen der Anwender berücksichtigt werden.
Aber auch die verschiedensten Managementprofile wie Projektmanager, Projektleiter und Programmmanager sind gefragt. Dies ist eine Folge des Offshoring-Trends in der Finanzinformatik: Während die Handarbeit, also die Softwareentwicklung, mehr und mehr ins nahe oder ferne Ausland verlagert wird, verbleiben die Managerfunktionen hier, um die Arbeiten zu koordinieren. Bevorzugt werden dabei Personen, die über ein breites Informatik-Know-how und einen Überblick über verschiedene Gebiete verfügen. Die Informatik vollzieht damit eine Entwicklung, die ihr die produzierende Industrie längst vorgemacht hat: Die einfache Produktion wird ins Ausland verlagert, die höher qualifizierten und die koordinativen Arbeiten verbleiben in der Schweiz.

Wer sich für eine Position mit analytischem oder Managementprofil in der Finanzbranche empfehlen will, sollte über einen Hochschulabschluss und zusätzliche entsprechende Erfahrung und Weiterbildung verfügen. Nicht jedes Unternehmen versteht allerdings dasselbe unter diesem Profil: Beim einen ist die Position technischer ausgelegt, beim anderen enger ans Business angelehnt. Manche Firmen setzen gar zwei Personen an der Schnittstelle zwischen Business und Technik ein. Mit dem International Institute of Business Analysis (IIBA) existiert eine Nonprofit-Organisation, die sich für eine einheitliche Definition des Profils kümmert und die auch Zertifizierungen anbietet. Seit 2009 ist das IIBA auch in Zürich mit einem Chapter präsent. Dessen Zertifikate werden auch hierzulande im Bankenbereich zunehmend anerkannt.

Banken sind noch immer interessante Arbeitgeber

Nicht mehr ganz so hoch im Kurs wie ehedem sind Spezialisten für Standardsoftware, allen voran für die Kernbankenlösungen Avaloq und Finnova. Die Standardisierung der Kernapplikationen brachte in den vergangenen Jahren Bewegung in den Markt, zur Hochzeit der Standardisierungswelle wurden viele Spezialisten benötigt. Nun sind die meisten diesbezüglichen Grossprojekte abgeschlossen und die Nachfrage deshalb etwas abgeflaut. Noch laufen aber Nachzüglerprojekte, die Nachfrage bewegt sich aber auf weitaus geringerem Niveau.

Schliesslich können aber auch Spezialisten für ältere Systeme noch immer einen Job finden. Denn in manchen Unternehmen stehen trotz Erneuerungswellen und Softwarestandardisierung noch Eigenentwicklungen, die in heute nicht mehr geläufigen Programmiersprachen entwickelt wurden. Diese Systeme werden zwar nicht mehr weiterentwickelt, aber noch immer gewartet. Gerade in Zeiten erhöhten Spardrucks ist es das erklärte Ziel vieler betroffener Banken, solche Systeme so lange wie möglich am Leben zu erhalten, statt zu ersetzen – was lediglich ein kostspieliges Projekt nach sich ziehen würde. Aus Angst, dass dieses Wissen mit der Pensionierung älterer Mitarbeiter in einigen Jahren nicht mehr zur Verfügung stehen könnte, haben einige Banken bereits damit begonnen, jüngere Mitarbeiter in Programmiersprachen wie zum Beispiel PL/1 zu schulen.

Mag auch der Glanz vergangener Tage in der Bankeninformatik nicht mehr erreicht werden: Ein IT-Job in der Finanzbranche ist sicher noch immer interessant und für gut ausgebildete Spezialisten auch erreichbar. Auch macht sich eine entsprechende Position im CV eines jeden Informatikers immer gut. Besonders ausländische Spezialisten profitieren hierzulande enorm, wenn ein potenzieller neuer Arbeitgeber in den Bewerbungsunterlagen sehen kann: Er war Informatikspezialist bei einer renommierten Schweizer Bank.

 

Zum Autor:

Vincenzo Picone ist Teamleiter Contracting bei der Hays (Schweiz) AG.

 

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