IT-Phobie oder falsches Berufsimage

Warum es so wenige Frauen an die IT-Spitze schaffen

Uhr | Aktualisiert
von asc

Für Frauen ist es grundsätzlich schwieriger als für Männer, im Beruf erfolgreich zu sein. Noch viel schwieriger ist es im ICT-Bereich. Und sucht man Frauen in den Teppichetagen von Schweizer IT-Unternehmen, sei es als CEO oder im Verwaltungsrat, dann sucht man die Nadel im Heuhaufen. Doch es gibt sie – zum Beispiel bei Microsoft, IBM und HP.

"Eine gescheite Frau hat Millionen geborener Feinde – alle dummen Männer" – dieses Sprichwort von der österreichischen Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach, die von 1830 bis 1916 lebte, mag zwar absolut feministisch klingen, doch ein Fünkchen Wahrheit steckt auch hier drin. In einer Umfrage von Monster Schweiz gaben 46 Prozent der Befragten an, dass es für Frauen schwieriger ist, im Beruf erfolgreich zu sein. So ganz allein in einer Männerdomäne und doch ganz oben auf dem Chefsessel – das schaffen nur wenige. Hierzulande ist der Anteil der Frauen in Führungspositionen von IT-Unternehmen im Vergleich zu dem der Männer verschwindend gering. Doch es gibt Ausnahmen.

Pionierrollen übernehmen hierbei Unternehmen wie HP, IBM oder Alcatel-Lucent, aber auch viele kleinere KMUs. Doch was ist eigentlich eine Führungskraft? Per definitionem heisst es, dass Führungskräfte Personen mit Personal- und Sachverantwortung sind und aufgrund ihrer (relativ hohen) hierarchischen Stellung Einfluss auf das gesamte Unternehmen oder seine wichtigsten Teilbereiche haben (Quelle: Prof. Dr. Thomas Bartscher). Das sind hohe Anforderungen. Anforderungen, die in der IT-Branche oft nur Männer zu erfüllen scheinen oder diese zumindest, aufgrund des klassischen Frauenbildes im Kopf, noch immer daran glauben. «Als Frau hat man immer die Herausforderung, in der beruflichen Position von Männern akzeptiert zu werden. Das ist in der Gesellschaft über das traditionelle Frauenbild einfach tief verankert», erklärt Dorothée Appel, CIO von Microsoft Deutschland und Schweiz (Interview siehe Link)

Diversität ist matchentscheidend

Gegen alle möglichen Widerstände hat sich Hauke Stars, Country General Manager von HP Schweiz, ihren Weg an die Spitze der Schweizer Niederlassung erkämpft. Seit über vier Jahren leitet sie nun schon die Geschicke des Konzerns in der Schweiz. Isabelle Welton führt seit rund eineinhalb Jahren die Schweizer Niederlassung von IBM. Die 47-jährige IBM-Chefin hatte gemäss eigenen Aussagen beharrlich auf diese Führungsposition hingearbeitet. Auch Susanne Ruoff, aktuell CEO von BT Global Services Schweiz, hatte ihre Karriere bei IBM gestartet und war dort 20 Jahre tätig. Sie profitierte vor allem vom Talentmanagement ihres einstigen Arbeitgebers.

Die Geschäftsführerin von Alcatel-Lucent Schweiz Claudia Schwers arbeitet seit über 20 Jahren in der Telekombranche. Davon einige Jahre auch als Leiterin des Bereichs Service Excellence bei der Swisscom AG. Sie vertritt die Meinung, dass die Basis zum Erfolg in jeder Branche der Glaube an sich selbst sei – sowie diszipliniertes Arbeiten und die Fähigkeit, mit Durchhaltevermögen seine Ziele zu verfolgen. "Mittlerweile beweisen diverse Studien, dass Unternehmen mit einem hohen Frauenanteil im Vorstand bis zu 48 Prozent höhere Gewinne erwirtschaften als der Branchendurchschnitt. Unternehmen wie SAP beispielsweise haben dies bereits lange erkannt. Während Männern vor allem die Fähigkeit zu strategischer Entscheidungsfähigkeit und technischer Kompetenz zugeschrieben wird, liegen die Stärken der Frauen im Beziehungs- und Kommunikationsmanagement. Die optimale Nutzung beider Stärkenprofile macht den Unterschied in der Zukunft", erklärt Schwers.

Wer der Karriereleiter der weiblichen IT-Führungsverantwortlichen nachspürt, landet rasch bei den Arbeitgebern. Die Unternehmenskultur hat einen grossen Einfluss auf die Karrieremöglichkeiten. "Eine Frau sollte bei einer Berufswahl darauf achten, dass eine grosse Diversität im Unternehmen gelebt und dem Mitarbeiter eine hohe Flexibilität eingeräumt wird", erklärte Appel. So gibt es beispielsweise bei Microsoft Schweiz einen Mutterschaftsurlaub von 16 Wochen bei vollem Lohn und diverse Teilzeitarbeitsmöglichkeiten für Mütter und auch Väter. Ausserdem wird den Mitarbeitern ermöglicht, einen unbezahlten Urlaub von 4 Wochen bis 6 Monaten zu beziehen. In vielen Firmen werden den Frauen auch Mentoren zur Seite gestellt, die je nach Anspruch die Frauen spezifisch fördern und vernetzen.

Hilft eine Frauenquote?

Doch nicht alle Unternehmen bieten so flexible Arbeitsmodelle. Um mehr Frauen in die IT zu bringen, müssten Unternehmen eigentlich die Frauenquote erhöhen. Der Anteil von Frauen in den IT-Abteilungen Schweizer Unternehmen beträgt gerade einmal 11 bis 15 Prozent. Zwar liegt hierzulande eine Motion für ein Quotengesetz in der Schublade der Parlamentarier, die von der grünen Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber eingereicht wurde. Sie verlangt eine Frauenquote von 40 Prozent für Firmen mit mehr als 200 Beschäftigten. Doch das wäre bereits der dritte Anlauf für eine Quotenregelung in der Schweiz. Die Chancen stehen erneut schlecht, da gemäss dem Bundesrat eine Geschlechterquote ein Eingriff in die Autonomie der Unternehmen ist.

An die Wirksamkeit einer Frauenquote glaubt Michèle Etienne, Teilhaberin und Geschäftsführerin der Get Diversity GmbH, nicht so recht. Sie hat zusammen mit der Unternehmerin Barbara Rigassi das Netzwerk "GetDiversity" gegründet und unterstützt damit Unternehmen und Organisationen bei der Suche nach Frauen in Verwaltungs- und Stiftungsräten. Unter den über 100 Mitgliedern des Netzwerks finden sich auch fünf Frauen aus der IT- und Telekombranche. "Die rechtliche Durchsetzung einer Frauenquote erachte ich lediglich bei einer kleinen Anzahl Unternehmen für möglich und zwar bei solchen, die börsenkotiert und/oder im Besitz der öffentlichen Hand sind", sagt Etienne. Vielmehr würde es helfen, wenn jede Frau, die in einem Verwaltungsrat sitzt, bei einer Vakanz auf eine weitere Frau besteht. "Das könnte den Frauenanteil in kürzester Zeit verdoppeln." Die Frauenquote scheint also auch nicht die richtige Lösung dafür zu sein, mit aller Gewalt Frauen in die Chefetagen zu hieven.

Falsches Berufsimage

Vielmehr liegt der Ursprung allen Übels auch beim vorherrschenden Image des Informatikers. Genauso wie viele Männer noch das traditionelle Frauenbild im Kopf haben, denken die Frauen bei Informatikern häufig an berühmt berüchtigten "Nerds", die die kuriosesten Sachen programmieren. Da verwundert es nicht, wenn kaum eine Schulabgängerin den Schritt in die IT wagt.

An der ETH Zürich liegt der Frauenanteil bei den Informatikstudenten zwischen 10 und 12 Prozent. Hierbei gibt es zwar Schwankungen im geringen Rahmen, aber die Frauenquote in der Informatik ist an der ETH seit zehn Jahren recht konstant. "Zu einem grossen Teil entspricht das Bild in der Gesellschaft nicht der Realität, denn gerade die Informatik wird sehr interdisziplinär eingesetzt und bedarf guter Kommunikations- und Teamarbeitskompetenzen", erklärt Christina Pöpper, Leiterin der Frauenförderung am Departement Informatik der ETH Zürich.

"Die Ahnung der Frau ist zuverlässiger als das Wissen der Männer"

Nicht viel besser sieht es an der Hochschule Luzern für Technik und Architektur (HSLU) aus. Unter den insgesamt 259 Informatikstudenten befinden sich gerade einmal zwölf Frauen. Diese Quote ist noch tiefer als jene an der ETH. Sigrid Cariola, Leiterin der externen Unternehmenskommunikation, erklärt im Gespräch mit der Netzwoche, dass in westeuropäischen Ländern in den letzten Jahren das generelle Interesse von Frauen an technischen Berufen wieder rückläufig ist. Informatik setzen viele immer noch gleich mit "isoliert im Kämmerchen sitzen und programmieren". Im Herbst startet die Hochschule deshalb eine dreitägige Veranstaltung für junge Frauen, die die andere Seite der Informatik zeigen soll. Die ETH Zürich bietet zweimal pro Jahr ein einwöchiges Schnupperstudium, das den Teilnehmerinnen ein realistisches Bild der Informatik vermitteln soll. Jährlich nehmen rund 50 junge Frauen teil, von denen sich dann einige tatsächlich für das Informatikstudium einschreiben, erklärt Pöpper.

Die Hoffnung ist also doch noch nicht verloren, und in den nächsten Jahren werden sicherlich mehr Frauen ihren Weg in die Teppichetagen von Schweizer IT-Unternehmen finden. Das liegt zum einen an den Unternehmen selbst und zum anderen auch an den Frauen. "Am Ende ist alles eine Frage des Muts. Man sollte sich von anderen nicht verunsichern lassen und einfach auch den Mut haben, sich Unterstützung zu holen", erläutert Appel. Zwar ist die "Ahnung der Frau meistens zuverlässiger als das Wissen der Männer", sagte einst der britische Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Joseph Rudyard Kipling – doch auf die Unterstützung durch die Männerwelt sind auch die Frauen in der Schweizer IT-Landschaft angewiesen.