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"Mittlerweile können die kommerziellen relationalen Datenbanken fast alles"

Uhr | Aktualisiert
von René Mosbacher

Meinrad Weiss, Datenbankspezialist bei Trivadis, sprach mit der Netzwoche über den Stand der Dinge bei den Datenbanken. Dabei erklärte er, wie der Schweizer Markt aussieht, warum sich relationale Datenbanken schon so lange halten können und wo die grossen Herausforderungen liegen.

Meinrad Weiss ist als Senior Technology Manager bei der Trivadis AG für den Bereich Microsoft Based Development verantwortlich.
Meinrad Weiss ist als Senior Technology Manager bei der Trivadis AG für den Bereich Microsoft Based Development verantwortlich.

Herr Weiss, wie sieht heute der Markt für Datenbanken aus?

Technisch gesehen kann er in drei Bereiche aufgeteilt werden. Den ersten bilden die Data Centric Business Critical Applications. Hierzu gehören «Line-of-Business»-Anwendungen wie CRM, ERP oder Bankensoftware. Diese basieren primär auf relationalen Datenbanken. Der zweite Bereich sind die Mini-Applications. Darunter verstehe ich beispielsweise einen SBB-Fahrplan auf dem Handy. Und den dritten Bereich bilden die Social Applications. Das sind Datenbanken, auf denen etwa Facebook oder Google aufbauen.

Wie sind diese Bereiche zu gewichten?

Aus Sicht der relationalen Datenbanken weitaus am wichtigsten sind die geschäftskritischen Anwendungen. Sie sind oft überlebenswichtig für das Unternehmen und zeichnen sich dadurch aus, dass im Fehlerfall oft kein manuelles Nacherfassen mehr möglich ist. Heute, wo vieles rein elektronisch abläuft, lässt sich eine Datenbank nicht mehr durch Abtippen der Papierunterlagen retten. Wie gross der Anteil der beiden anderen Segmente ist, weiss ich nicht, aber in der Schweiz in jedem Fall deutlich kleiner.

Und wer sind die relevanten Hersteller?

In meinen Geschäftsfeldern, also bei grösseren Unternehmen, sind das Oracle, Microsoft und IBM. Ihre Produkte nähern sich technisch immer mehr an. Mit dieser Annäherung wird – zumindest aus technischer Sicht – die Migration zwischen den verschiedenen SQL-Datenbanken einfacher. Trotzdem kommt das nur selten vor, am ehesten noch bei neuen Projekten. Open-Source-Datenbanken spielen in meinem Umfeld eine untergeordnete Rolle.

Wo liegen die grossen Herausforderungen?

Aus meiner Sicht steht zuoberst das immense Wachstum der Daten. Die explodierende Datenmenge und die Forderungen nach permanenter Verfügbarkeit erzeugen besonders bei den geschäftskritischen Applikationen ein enormes Spannungsfeld, das die IT vor wachsende Probleme stellt. Das Datenwachstum finden wir zwar bei den Social Applications auch. Hier ist aber nicht die Verfügbarkeit das grosse Problem, sondern der sogenannte Massive Reach. Die Daten sollen ja rund um die Welt etwa gleichzeitig verfügbar sein. Hinzu kommen noch die enormen Nutzerpopulationen, die massiv parallel darauf zugreifen.

Wie bekommt man das in den Griff?

Geschäftskritische Anwendungen verwalten die Daten typischerweise zentral in einer DB. Das erleichtert den zuverlässigen, sicheren und konsistenten Betrieb. Bei Social Applications hingegen wählt man Scale-out-Lösungen, bei denen die Applikation und die Daten mehrfach auf der Welt betrieben werden. Daraus entstehen wieder spezielle Probleme, etwa was das Abgleichen der Datenbestände angeht.

Das Konzept der relationalen Datenbanken ist schon recht alt. Warum konnten sie sich über so lange Zeit halten?

Sie konnten sich halten, weil die kommerziellen Hersteller ihre Basisprodukte während der letzten 10, 20 Jahre laufend mit Zusatzfunktionen ausgestattet haben, die neuen Trends entsprachen. So kamen mit der Zeit Module hinzu, mit denen sich Dokumente, Blobs, XML-Daten oder Rauminformationen verwalten lassen. Mittlerweile können die kommerziellen RDBMS fast alles, und das gut genug für die meisten Fälle. So blieb der Markt für spezialisierte Datenbanken immer relativ klein. Geholfen hat sicher auch die allgemeine Zurückhaltung, neue Datenbanktypen einzuführen – schon nur wegen des fehlenden Know-hows.

Aber im Bereich der sozialen Netzwerke sind SQL-Datenbanken kaum anzutreffen.

Ja, hier sind oft auf das spezielle Umfeld optimierte NoSQL-Datenbanken zu finden. Bei sozialen Netzen sind Beziehungen zwischen den Anwendern sehr relevant. Solche Beziehungen lassen sich beispielsweise mit Graphen-Datenbanken sehr effizient verwalten und abfragen. Ich glaube aber, wenn künftig eine nennenswerte Nachfrage für Graphen-Datenbanken entsteht, wird bald der erste Anbieter aus der SQL-Fraktion mit einem Zusatzmodul auf den Markt kommen.

Hat der Trend zum Cloud Computing einen Einfluss auf die Datenbanktechnik?

Die Cloud hat keinen direkten Einfluss auf die Datenbanktechnik. Durch die Cloud werden aber der Kostendruck und die Wünsche bezüglich Agilität der IT-Infrastruktur deutlich zunehmen. Es wird sicher Verschiebungen von lokalen Installationen zur Cloud geben. Dabei darf, trotz Cloud-SLA, bei geschäftskritischen Applikationen eine gute Katastrophenvorsorge nicht aus den Augen verloren werden. Die kann beispielsweise darin bestehen, dass Sie lokal ein Reservesystem bereithalten, das im Ernstfall einspringt. Dabei hilft sicher, wenn die Daten und Konzepte zwischen der Cloud und lokal installierten Anwendungen kompatibel sind. Diesbezüglich steht etwa das Azure-Konzept von Microsoft recht gut da.

Apropos – was versprechen Sie sich vom neuen SQL-Server-Release?

Spontan fallen mir zuerst die Verbesserungen bei High Availability und Desaster Recovery ein. Interessant ist auch, dass der SQL-Server nun auf einem Windows Server Core laufen kann. Damit sollten sich 50 bis 60 Prozent der OS-Patches vermeiden lassen, die einen Neustart des Servers erfordern. Das verbessert die Verfügbarkeit. Mit Contained Databases lassen sich Datenbanken herstellen, die sich ex¬trem einfach von Server zu Server migrieren lassen. Und schliesslich sind die Fortschritte bei der Geschwindigkeit von DWH Queries durch Columnar Indexes und In-Memory-Technologie zu erwähnen.