Interview mit Roger Wüthrich-Hasenböhler

"Kollaborationen zwischen Grossen und Kleinen werden ganz alltäglich sein"

Uhr | Aktualisiert

Roger Wüthrich-Hasenböhler leitet bei Swisscom den Geschäftsbereich Kleine und Mittlere Unternehmen. Im Interview spricht er über die Heraus­forderungen und die Bedeutung der Zusammenarbeit mit Start-ups.

Roger Wüthrich-Hasenböhler leitet bei Swisscom den Geschäftsbereich Kleine und Mittlere Unternehmen (Quelle: Netzmedien)
Roger Wüthrich-Hasenböhler leitet bei Swisscom den Geschäftsbereich Kleine und Mittlere Unternehmen (Quelle: Netzmedien)

Wie war der Einstieg nach den Ferien?

Roger Wüthrich-Hasenböhler: Um ehrlich zu sein, war der Einstieg nach den Ferien relativ hart bei diesem schönen Wetter.

Welche Themen beschäftigen Sie momentan während Ihrer Arbeit?

Aktuell beschäftigt uns die Transformation zur IP-Telefonie. Wir sind dabei, neue Services und Produkte für die IP-Welt aufzubauen und die bestehenden, analogen Anschlüsse auf die neue, digitale Technologie zu überführen. Das stellt im KMU-Bereich mit rund 300'000 Kunden eine grosse Herausforderung dar.  

Hat diese Umstellung etwas mit Start-ups zu tun?

Nicht direkt. Im Bereich dieser neuen Technologie gibt es aber bestimmt auch viele Start-ups, die einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet haben.

Arbeiten Sie denn speziell für die Umstellung auf All-IP mit Start-ups zusammen oder betreiben Sie Inkubatoren zu diesem Zweck?

Nein, in diesem Bereich nicht. Die IP-Telefonie gehört zu unserem Kerngeschäft und sie wird stark von den etablierten Playern geprägt. Wir kollaborieren aber bei unserer Cloud sehr intensiv mit Start-ups. Diesbezüglich arbeiten wir auch eng mit Start-ups aus dem Silicon Valley zusammen.

Wie viele Mitarbeiter beschäftigt Swisscom?

Swisscom hat in der Schweiz über 18‘000 Angestellte, davon sind rund 800 im Geschäftsbereich Kleine und Mittlere Unternehmen tätig.

Ist es bei dieser Grösse überhaupt möglich, innovativ und agil zu bleiben?

Das ist nicht ganz einfach. Wir kennen alle die Beispiele von Firmen, die einst Weltmarktführer waren und dann praktisch von der Bildfläche verschwanden, weil sie nicht auf den Innovationszug aufgesprungen waren. So geschehen unter anderem mit Kodak und Nokia. Jedes grosse Unternehmen steht vor der Herausforderung, die Innovationskraft aufrechtzuerhalten. Das ist wohl eine der grössten Herausforderungen. Um langfristig erfolgreich zu bleiben, muss man vor allem in zwei Bereichen voll dabei sein: in der Produktweiterentwicklung und in der Innovation. Dort muss man ständig prüfen, in welchen Feldern man aktiv sein muss, um auch in Zukunft erfolgreich zu bleiben. Das können zum Teil Bereiche sein, die man heute noch gar nicht kennt.

Welche Felder hat Swisscom diesbezüglich als wichtig ausgemacht?

Ein solches Feld ist etwa die Energiewirtschaft. Swisscom Energy Solutions versucht, ein Geschäft auf der Basis virtueller Energieströme aufzubauen. Ein weiterer Bereich ist das Gesundheitswesen, wobei wir die Branche bei der Digitalisierung unterstützen. Man muss aber auch in den klassischen Bereichen aufmerksam bleiben und schauen, dass man nicht durch disruptive Innovation plötzlich vom Markt verschwindet. Das zeigt das Beispiel von Kodak. Sie verpassten es, die digitale Fotografie zu antizipieren. Das bedeutet für uns, dass wir ständig schauen, wo die Trends sind, die für unser Geschäft gefährlich werden können. Schliesslich setzen wir dann Themenschwerpunkte und lancieren entsprechende Projekte, damit wir unsere künftige Rolle aktiv gestalten können. Hier geht es dann eben um Innovation, um neue Services und nicht um die Weiterentwicklung bestehender Produkte.

Welche entsprechenden Projekte verfolgt Swisscom aktuell?

Ein solches Beispiel kommt aus dem Kundenservicebereich und nennt sich Swisscom Friends. Swisscom Friends ist auf einer Kollaborationsplattform aufgebaut, wo ein Kunde via Internet einen massgeschneiderten Kundenservice in Anspruch nehmen kann. So lässt sich etwa ein Nachbar, der bei Swisscom Friends ist, um Hilfe anfragen. Das ist ein innovativer Service, der auf der „Collaborative Economy“ aufbaut. Hinter diesem Projekt steht ein Start-up namens Mila. Das ist im weiteren Sinne ein ähnliches Projekt wie Uber und Airbnb.

Gibt es eine ähnliche Entwicklung auch für interne Geschäftsprozesse von Swisscom, oder liegt der Fokus bezüglich Innovation hauptsächlich auf den Businessmodellen und Produkten?

Es geht immer auch darum, effiziente Prozesse zur Verfügung stellen zu können. Dabei spielt Innovation eine wichtige Rolle. Im obigen Beispiel von Swisscom Friends sieht man das konkret. Wenn sich die Friends selbst helfen können, ist das natürlich viel effizienter, als wenn ein Techniker von Swisscom extra von weit her anreisen muss. Gerade auch um kostengünstig und konkurrenzfähig zu bleiben, ist es wichtig, Prozesse zu vereinfachen und zu erneuern, um dadurch Kosten zu sparen.

Welche Rolle spielen Start-ups bei der Prozessinnovation von Swisscom?

Der ganz grosse Vorteil eines Start-ups ist, dass es agieren kann, ohne auf eine grosse Organisation Rücksicht nehmen zu müssen. Es kann ein Produkt aufbauen, ohne auf eine grosse Infrastruktur und andere Themen von Grossunternehmen achten zu müssen. In diesem Zusammenhang gründeten wir den Pirat Hub, der sich hier im P51 befindet. Der Pirat Hub soll es einem Start-up ermöglichen, seine eigenen Produkte gemeinsam mit Swisscom zu entwickeln. Dies findet in einem vorgegebenen Zeitrahmen, nämlich während 100 Tagen statt. Dafür stellt Swisscom Assets zur Verfügung, die das Start-up nicht hat. Dazu gehören der Kundenzugang, Marketingmittel oder Netzwerke. Auf der anderen Seite bietet das Start-up eine gute Idee oder einen guten Service. Diese Kombination hat grosses Erfolgspotenzial.

Kommt es oft vor, dass das Start-up später in Swisscom integriert wird, oder ist eher eine Zusammenarbeit die Regel?

Da gibt es verschiedenste Formen der Zusammenarbeit. Grundsätzlich muss ein Start-up für uns eine strategische Bedeutung haben, damit wir es übernehmen. Wir übernahmen bis jetzt nicht viele Start-ups, sondern haben eher Kooperationen mit ihnen. Also in Form etwa einer Vertriebspartnerschaft oder eben auch einer Beteiligung. In der Regel sucht man die Form, die am besten zum jeweiligen Vorhaben passt. Hat ein Start-up eine gute Lösung, bietet es sich an, es zu übernehmen oder die Lizenz zu erwerben. Wir machten das etwa im Banking-Bereich, wo wir mit wemakeit.ch kooperieren, deren Crowdfunding-Plattform wir nun nutzen und vermarkten.

Gibt es weitere Beispiele?

Im Silicon Valley arbeiten wir wie gesagt mit Start-ups zusammen, um den Cloud-Bereich voranzutreiben. Sie bieten uns Technologien, die wir nicht zur Verfügung haben. So leisten sie einen Beitrag zu unseren Cloud-Angeboten in der Schweiz.

Welche Schweizer Start-ups sind momentan für Swisscom interessant?

Das ist schwierig, zu sagen. Wir beobachten den Schweizer Markt ständig. Unser Venture-Fund gibt uns die Möglichkeit, in interessante Projekte zu investieren. Dieser Fund ist unterteilt in einen strategischen Fund und einem Early Stage Fund. Mit dem strategischen Fund investieren wir möglichst frühzeitig in Unternehmen, die wir als strategisch wichtig erachten. Dazu unterstützen wir unsere neuen Partner mit Marktzugang, Marketing und Netzwerken. Beim Early Stage Fund geht es darum, dass man Start-ups mit Potenzial hilft, die ersten und schwierigen Finanzierungsrunden zu überstehen und den nächsten Level zu erreichen. Uns interessieren hauptsächlich IT-Themen, aber auch andere.

Sehen Sie wichtige Punkte Ihrer Zusammenarbeit mit Start-ups, die bis jetzt noch nicht zur Sprache kamen?

Man muss die Dynamik des Internets betrachten, in der wir uns momentan befinden. Das Internet ermöglicht einer ganz grossen Gemeinschaft, weltweit Dienste zu entwickeln. Es ist sehr wichtig für ein Unternehmen, dass es ständig evaluiert, welche Services und Start-ups es künftig braucht. In Zukunft wird es wichtig sein, die Kern-Assets von Swisscom mit Services zu verbinden, die unserem Kunden einen Mehrwert bieten. Ein Beispiel dafür ist die Zusammenarbeit mit Six bei Paymit. In Zukunft werden aus meiner Sicht also die Ökosysteme entscheidend sein. Es wird immer weniger “One size fits all“-Angebote geben, sondern vielmehr ein Netz verschiedenster Anbieter, die für einen Service zusammenarbeiten.

Können Sie über Ihre Zusammenarbeit mit dem Impact Hub berichten?

Wir stiegen beim Impact Hub in einer frühen Phase ein, als einer der Ersten. Wir glauben, dass es wichtig ist, solche Plattformen zu haben, wo sich eine Innovationskultur entwickelt. Wir arbeiteten bereits bei verschiedenen Projekten mit dem Impact Hub zusammen. Einmal im Bereich der Förderung von Start-ups mit Programmen wie ICT for Good Fellows. Dann gibt es das Summer Entrepreneurship, in dessen Rahmen wir Studenten mit Start-ups zusammenbringen. Weiter bieten wir mit Start-ups zusammen Management-Kurse an, in denen wir Reverse Pitching machen und dabei mit den Social-Entrepreneurs die Rollen tauschen. Im Moment sind wir dabei, die Zusammenarbeit zwischen dem Impact Hub und dem Pirat Hub auszubauen.

Lief die Zusammenarbeit mit dem Impact Hub Ihren Erwartungen gemäss?

In Zukunft werden solche Innovations Hubs sehr wichtig sein. Denn sie sind der Ort, an dem das ganze Ökosystem zusammenfindet. Dort treffen Unternehmer, Studenten, Bildungsinstitute und Förderer zusammen, die gemeinsam eine Innovationskultur entwickeln. Auf diese Entwicklung legen wir grossen Wert und dies ist meiner Meinung nach der grösste Vorteil des Impact Hubs. Da sich die Innovationskultur ständig verändert, bin ich überzeugt, dass es in Zukunft immer mehr solche Hubs geben wird. Um als Unternehmen erfolgreich zu bleiben, ist es wichtig, an diesen Entwicklungen ständig dranzubleiben. Ich glaube, der Impact Hub ist in dieser Form schweizweit einzigartig. Im Moment springen weitere Grossunternehmen auf, wie Six oder Migros. Ich bin überzeugt, dass sich der Impact Hub zu einem wichtigen Innovationszentrum entwickeln wird.

Gibt es ähnliche Partnerschaften wie die mit dem Impact Hub?

Ja, wir haben zurzeit ein Programm mit der EPFL. Dort wollen wir uns ganz ähnlich wie in Zürich einbringen, um die Innovationskultur zu fördern. Mit dem Ziel, das Start-up, uns und die Innovationskultur in der Schweiz insgesamt voranzubringen. Daneben gibt es noch zwei, drei Initiativen im kleineren Rahmen.

Welche Herausforderungen bringen diese Projekte mit sich?

Da gibt es mannigfaltige Schwierigkeiten. Wenn man in einer etablierten Firma arbeitet, hat man grundsätzlich den Eindruck, dass man alles selbst bestimmen und die Entwicklungen vorwärtstreiben kann. Auf der anderen Seite ist man aber an verschiedenste Prozesse und Systeme gebunden. Und bei uns dauern die Prozesse länger als bei einem Start-up. In diesem Kontext erscheint die Zusammenarbeit mit einem Start-up als extrem wichtig. Diese Dringlichkeit einem grossen Unternehmen zu vermitteln, ist aber eine grosse Herausforderung. In diesem Prozess befinden sich momentan viele Firmen. Swisscom ist dabei vergleichsweise schon sehr weit. Wir sind bereits seit mehr als 15 Jahren im Silicon Valley aktiv und haben dort das Trend Scouting aufgebaut. So pflegen wir schon lange die Kultur der Innovationstransformation. Daran muss man aber permanent arbeiten. Vor dem Hintergrund, dass man als Grossunternehmen in vielen Belangen nicht sehr schnell reagieren kann, liegt der Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft in einer optimalen Zusammenarbeit zwischen etablierten Firmen und Start-ups.

Dann geht es also meistens um die Frage: Machen wir es selbst oder in Zusammenarbeit?

Ja, das ist genau die Frage. Da kommt oft das „Not-invented-here-Syndrom“ zum Vorschein. Soll heissen: Man denkt, das können wir doch selbst, oder man interessiert sich gar nicht erst für Innovationen, die nicht aus dem eigenen Haus stammen. Es ist wichtig, diesem Syndrom innerhalb der Firma kommunikativ und kulturell entgegenzuwirken. Man sollte sich also als Unternehmen vor Selbstüberschätzung hüten und klar evaluieren, wo die eigenen Kompetenzen liegen und wo eben nicht. Früher war es noch möglich, alles selbst zu machen. Durch die Dynamik der Technologieentwicklung und der Innovationskultur wird dies in Zukunft aber nicht mehr möglich sein. Wir werden ein Ökosystem haben, in dem jeder seine Kernkompetenzen einbringt.

Dann sehen Sie also klar Grenzen darin, was für ein Grossunternehmen überhaupt möglich ist?

Man muss einfach ständig aufmerksam bleiben, um Bedrohungen für das eigene Produkt frühzeitig zu erkennen. Ansonsten läuft man Gefahr, dass man plötzlich vom Markt gedrängt wird. Ein Beispiel dafür sind SMS und Whatsapp. Grosse Netzbetreiber hätten schon länger die Möglichkeit gehabt, eine Technologie wie Whatsapp umzusetzen. Entsprechende Versuche und Entwicklungen gab es schon einige Zeit, zum Beispiel auch eine Initiative von Vodafone. Erfolgreich umgesetzt wurde die Technik aber nicht von den grossen Telekomfirmen, sondern von einem kleinen Start-up. Die wichtigste Herausforderung liegt also darin, die Innovationskraft im Kerngeschäft aufrechtzuerhalten.

Liegt das Problem nicht auch darin, dass man innerhalb eines Unternehmens nur ungern mit seinen eigenen Produkten konkurriert?

Das ist genau das Problem. Als Manager in einer grossen Firma setzen Sie alles daran, die vorgegebenen Ziele für Ihr Produkt zu erreichen. Wenn man eine Gesamtverantwortung trägt, hat man natürlich schon eine gewisse Angst, ein neues Produkt aufzubauen, das das Kernprodukt dann kannibalisiert. Das ist nur natürlich. Darum sind Start-ups wohl auch viel erfolgreicher, wenn es darum geht, neue Produkte und Services oder auch neue Businessmodelle auf den Markt zu bringen, die andere obsolet machen. Sie können einfach auf einer grünen Wiese starten.

Gibt es dazu ein konkretes Beispiel von Swisscom?

Das gibt es. Sogar ein sehr erfreuliches, das ich als Meisterleistung bezeichnen würde. Zwischen Apple-Geräten konnte man ab IOS5 blaue, kostenlose SMS verschicken. Das brachte uns dazu, die Infinity-Tarife aufzubauen, weil wir sahen, dass es in Zukunft noch mehr solche Services geben wird. Wir setzten uns das Ziel, dass wir unabhängig von solchen Services werden müssen und passten das Preismodell an. So führten wir die Flatrate und Differenzierung auf der Geschwindigkeit, besser bekannt als Natel Infinity, ein. Der Erfolg von Infinity zeigt, dass heute nicht mehr eine Nutzung pro Minute, Anzahl oder Megabyte relevant ist. Die Kunden möchten solche Services brauchen, ohne unabsehbare und exorbitante Kosten anzuhäufen.

Es geht also immer darum, das eigene Business aufrechtzuerhalten?

Das ist genau der Punkt. Das ist die Problematik mit den OTTs (Red.: Over-the-top content: kostenlose Übermittlung von Audio- und Videoinhalten). Swisscom investiert jährlich etwa zwei Milliarden Franken in die Infrastruktur. Ein OTT wie Whatsapp kommt und trägt null Kosten für die Infrastruktur. Wir müssen auf der anderen Seite schauen, dass wir die Infrastruktur amortisieren und über ein erfolgreiches Geschäftsmodell bezahlen können. In unserem Beispiel war es die Einführung der Flatrates. Denn diese haben das neue Bedürfnis der Kunden befriedigt, Services unbegrenzt nutzen zu können.

Sehen Sie kurzfristig grössere Umstellungen in diesem Bereich der Preismodelle?

In diesem Bereich erwarte ich in nächster Zeit keine grundlegenden Veränderungen. Wir werden künftig wohl fast ausschliesslich Flatrates sehen.

Dann ist also in naher Zukunft kein „neues Whatsapp“ zu erwarten?

Ich glaube nicht. Lassen Sie uns das von einem längerfristigen und strategischen Standpunkt aus betrachten. Früher war alles fest verdrahtet bis zum Telefon, das man sogar noch vermietete. Das war für Telekomfirmen natürlich eine wunderbare Value Proposition. Man verdiente pro Minute und vermietete gleichzeitig noch das Gerät. Das war hundert Jahre lang das Geschäftsmodell der Telekomfirmen. Eine ähnliche Ausgangslage war dann mit den Natels gegeben, die für ihre Nutzung fest an die SIM-Karte gebunden waren. Man hatte also ebenfalls Preise pro Minute und Anzahl. Das waren die alten Businessmodelle der analogen Telefonie. Mit dem Internet hat sich das gewaltig verändert. Das Internet hat die Konnektivität vom Service entkoppelt. Man braucht also nur noch einen Internetanschluss, um die verschiedensten Services nutzen zu können. Vor dieser Herausforderung stehen alle Telekommunikationsunternehmen. Die grossen Umstellungen waren also eine Folge der Einführung des Internets. Neue Geschäftsmodelle erwarte ich nun eher im Bereich des Internets der Dinge: Aus der Anbindung unendlich vieler Gegenstände ans Internet ergibt sich ein riesiges Potenzial.

Inwieweit eignet sich Ihrer Meinung nach der Standort Schweiz, um ein Start-up zu führen?

Das ist eine gute Frage. In der Schweiz haben wir oft das Gefühl, die Besten zu sein, und wir brüsten uns damit, das innovativste Land zu sein. Das sehe ich auch so, aber man sollte sich nicht zu viel darauf einbilden. Ein grosser Vorteil der Schweiz sind unsere qualitativ hochstehenden Bildungsinstitutionen, aus denen viele Talente hervorgehen. Aus der globalen Perspektive gilt es aber, auf der Hut zu sein, um den Anschluss nicht zu verlieren. Die Innovationszentren befinden sich im Silicon Valley, in Boston, in London oder Berlin. Diese Orte zeichnen sich durch eine hohe kompetitive Komponente aus, die auch bis in die Schweiz hinein wirkt. Was bedeutet das für die Schweiz? Bei uns hapert es vor allem an der Finanzierung. Viele Schweizer Unternehmen wollen nicht das Risiko eingehen, in ein Start-up zu investieren. Hier gibt es einen grossen Unterschied zum angelsächsischen Raum. Dort werden solche Investitionen systematisch evaluiert und unterstützt. Darum gilt es aufzupassen, dass unsere Start-ups und Ideen nicht einfach nach Grossbritannien oder in die Staaten abwandern.

Würden Sie Swisscom im Schweizer Vergleich als risikobereit bezeichnen?

Swisscom ist meiner Meinung nach überdurchschnittlich risikobereit im Vergleich zu anderen Unternehmen in der Schweiz. In unserem Geschäftsfeld sind wir der Dynamik der technischen Entwicklung schon seit langem ausgesetzt. Dies fordert uns, permanent neue Produkte und Services anzubieten. Auch unser Engagement im Silicon Valley gibt uns einen grossen Vorsprung zu anderen Betrieben in der Schweiz. Das zeigt sich auch in unserem relativ grossen Einsatz für Start-ups. Mit dem erwähnten Early Stage Fund investieren wir jährlich zwei Millionen Franken in Unternehmen, die sonst so gut wie niemand unterstützen will.

Welche Herausforderungen sehen Sie für die Zukunft?

Ich bin überzeugt, dass in Zukunft Start-ups eine ganz wichtige Rolle in unserem Ökosystem spielen werden. Denn sie können schneller entwickeln und sind agiler als die Grossen. Die Kombination von Firmen mit Assets und solchen mit neuen Ideen sind meiner Meinung nach am erfolgversprechendsten. Ausserdem werden in Zukunft Geschäftsmodelle sehr entscheidend sein. Unternehmen wie Uber oder Airbnb heben sich grösstenteils deshalb vom Wettbewerb ab. Neue Geschäftsmodelle bringen disruptive Produkte. Ausserdem werden künftige Ideen immer mehr auf der „Collaborative Economy“ aufsetzen. Man nutzt also das, was bereits zur Verfügung steht. So wird es in naher Zukunft Services geben, die wir heute noch nicht kennen. Das wird etablierte Unternehmen vor grosse Herausforderungen stellen. Das sieht man heute etwa an den Entwicklungen im Hotelgewerbe.

Wie wird sich dies auf die Arbeitsprozesse der Grossunternehmen auswirken?

Ich glaube, Prozesse werden in Zukunft vermehrt in der Cloud ablaufen und überall zur Verfügung stehen. Die Prozesse werden zudem viel einfacher werden und somit auch günstiger. Die Digitalisierung wird also die Wirtschaft von Grund auf verändern.

Welche Veränderungen sehen Sie für die Firmenkultur?

Wie man schon heute beobachten kann, hält die Innovationskultur immer mehr Einzug in Firmen. Diese Entwicklung wir auch in Zukunft anhalten. Kollaborationen zwischen Grossen und Kleinen, wie wir sie heute schon haben, werden ganz alltäglich sein. Die Unternehmen müssen auch offener werden und andere Arbeitsmodelle anbieten. Die Digitalisierung wird also auch eine Veränderung der Firmenkultur zur Folge haben.

Was wird das konkret für den Arbeitsalltag bedeuten?

Der Arbeitsort wird mobil. Das klassische Büro wird vielerorts verschwinden und die Menschen arbeiten von dort aus, wo sie gerade sind. Es wird auch vermehrt in Teams und Projekten gearbeitet. Ich sehe auch, dass man vor allem im Produktentwicklungsbereich mehr mit Prototyping arbeiten wird. Soll heissen, man wird mehr ausprobieren, ob etwas überhaupt funktioniert, ohne dass man schon fixfertige Services entwickelt.

Ist diese Kultur dann überhaupt noch vereinbar mit Grossunternehmen? Gibt es da nicht einen Widerspruch?

Diesen Widerspruch gibt es. Wenn aber ein Unternehmen gut organisiert ist und gute Infrastrukturen zur Verfügung stellt, die die Teamarbeit von morgen fördern, kann ein Grossunternehmen durchaus auch in Zukunft erfolgreich bleiben. Die Strukturen von Grossfirmen können, wenn sie sich stetig weiterentwickeln, eine wichtige Basis für den Erfolg und die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Teams bilden.



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