Zweck des Projektes nicht erfüllt

Das ist bei der Berner Schulplattform Base4kids2 schief gelaufen

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von René Jaun und lha

Die Aufsichtskommission des Berner Stadtrates geht hart ins Gericht mit der Schulplattform Base4kids2. So sollen Ressourcen und Wissen gefehlt haben und Kritik vernachlässigt worden sein. Künftig soll der Nutzen für die Zielgruppe stets an erster Stelle stehen, rät die Kommission.

(Source: Darumo / iStock.com)
(Source: Darumo / iStock.com)

Seit ihrer Einführung vor zwei Jahren hat die Stadtberner Schulplattform Base4kids2 immer wieder für Stirnrunzeln gesorgt. Im Frühling bewilligte die Regierung gar einen Zusatzkredit, wie Sie hier lesen können.

Nun hat sich die Aufsichtskommission des Stadtrates mit dem Projekt auseinandergesetzt. Mit der Untersuchung wollte die Kommission klären ob und welche verwaltungsinternen Fehler im Zusammenhang mit dem Projekt und dessen Umsetzung auf der politisch-strategischen Führungsebene passiert seien, wieso diese passiert seien und wie sie in Zukunft vermieden werden könnten, heisst es im Bericht (hier als PDF).

Kenntnisse der Anwenderinnen und Anwender überschätzt

Die Ausschreibung sei zwar juristisch korrekt erfolgt, heisst es in den Schlussfolgerungen. Inhaltlich seien jedoch da schon erhebliche Versäumnisse und Fehleinschätzungen passiert. Namentlich wurde zwar eine Technologiestudie, aber keine Endnutzerinnen-Analyse erstellt, und das didaktische/pädagogische Konzept wurde als Kriterium zu wenig in die Ausschreibung integriert.

Als Konsequenz davon seien die Kenntnisse und Fähigkeiten der Lehrpersonen überschätzt worden. Den Supportbedarf der Lehrer- und Schülerschaft und die damit verbundenen notwendigen Ressourcen und Kenntnisse innerhalb der Verwaltung habe man dagegen unterschätzt.

Zudem konnten weder die Schülerschaft noch die Lehrpersonen die Plattform vor dem allgemeinen Rollout testen. "Im Steuerungsausschuss wurde später eingestanden, dass in der Ausschreibung eine Testumgebung vergessen ging, obwohl diese im Pflichtenheft tatsächlich aufgeführt worden war", schreibt die Kommission dazu. Dadurch sei es zu vielen Missverständnissen und Mehrkosten gekommen.

Weiter hebt die Kommission die Wahl der Umsetzungsvariante hervor. Hier entschieden sich die Projektverantwortlichen für eine Open-Source-Lösung. Dies trotz eines Hinweises der IT-Verwaltung, wonach man über keine Erfahrung mit der Open-Source-Variante verfüge – im Gegensatz zu Microsoft-Lösungen. Aufgrund der Wahl der Open-Source-Lösung seien zuvor angedachte Kooperationen mit anderen Städten verworfen worden.

Der Lösungsanbieter als Projektleiter

Auf strategischer Ebene führte ein Fehler zum anderen. Zunächst seien verwaltungsintern wenig Kompetenzen im Bereich IT und Projektleitung vorhanden gewesen, um ein so grosses und innovatives IT-Projekt führen und betreiben zu können. Das fehlende Wissen und die fehlende Kompetenz kaufte das Schulamt beim Lösungsanbieter, der Firma Abraxas, ein, und setzte den Anbieter gleichzeitig in den Steuerungsausschuss. "So wurde aus dem Anbieter quasi der Projektleiter", fasst die Kommission zusammen und ergänzt: Der Auftragnehmer habe sich damit selbst überprüft und geführt. Namentlich habe Abraxas zusammen mit den Informatikdiensten Druck ausgeübt, das Projekt zeitnah zu beenden. Dadurch sollen Bedenken der Lehrerschaft zu wenig Gehör gefunden haben.

Aufgrund der angekündigten Abschaltung des Vorgängerprojekts Base4kids1 sei ein zu ambitionierter Zeitplan erstellt worden. "Statt die Projektführung diesem Zeitdruck unterzuordnen, hätte von Anfang an ein Plan B entwickelt werden sollen", kritisiert die Kommission.

In Zukunft: Machbarkeit vor Augen haben

Das Fazit der Kommission fällt vernichtend aus: Innert kürzester Frist habe die Stadt Bern eine innovative, in der Schweiz noch nie dagewesene Schulplattform eigens entwickeln wollen. "Der Wille respektive das Bedürfnis, ein solches innovatives Leuchtturmprojekt zu erstellen, stand dabei in krassem Widerspruch zu den in der Verwaltung vorhandenen Kompetenzen und Ressourcen." Der eigentliche Zweck des Projektes sei nicht erfüllt worden.

Der Bericht endet mit ein paar konkreten Empfehlungen für zukünftige Projekte. So soll der Gemeinderat Grossprojekte wie Base4kids2 als Chefsache behandeln, und Direktionen und ihre Abteilungen müssen in solchen Projekten zwingend konstruktiv zusammenarbeiten. Zudem sollen Innovation und Digitalisierung zwingend mit der Hauptzielgruppe, den Anwenderinnen und Anwendern, angegangen und umgesetzt werden.

Der Stadtrat wiederum sollte laut der Kommission bei IT-Projekten stets die Machbarkeit eines Projekts auf der Grundlage der in der Stadtverwaltung vorhandenen Ressourcen und Kompetenzen vor Augen haben. Und: "Bei der Initiierung und Realisierung von Ideen sollten der Zweck eines Projekts und dessen Nutzen für die jeweilige Zielgruppe stets an erster Stelle stehen".

Auf kantonaler Ebene erhält Bern bald schon ein Gesetz für die digitale Verwaltung. Demnach sollen Behördenkontakte künftig vorwiegend digital erfolgen. Mehr dazu lesen Sie hier.

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