IT-Ausgaben sparen mit "OpenJustitia"

"In der Schweiz sind Open-Source-Veröffentlichungen durch Behörden noch eine Seltenheit"

Uhr | Aktualisiert
von asc

Mit der Open Source Veröffentlichung der Gerichtssoftware "OpenJustitia" will das Bundesgericht mithelfen, die IT-Ausgaben der öffentlichen Hand zu senken. Anbieter proprietärer Gerichtssoftware sehen in der neuen Gerichtssoftware ihre lukrativen Geschäftsfelder bedroht.

Die Mitglieder der Parlamentarischen Gruppe Digitale Nachhaltigkeit sprechen sich jedoch klar zugunsten der Steuerzahlenden für die Initiative des Bundesgerichts aus und wollen sich in der Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) dafür einsetzen.

Im öffentlichen Sektor gibt es oft Güter und Leistungen, die entweder gar nicht oder nur suboptimal von privaten Anbietern erbracht werden. Seien es Angebote im öffentlichen Verkehr, in der Bildung (bspw. Lehrmittelverlage) oder im Bereich der digitalen Güter. Dort macht es volkswirtschaftlich Sinn, dass die öffentlichen Stellen sich koordinieren um den höchstmöglichen Nutzen für die Gesellschaft zu erzielen. Insbesondere bei der Software-Entwicklung ist es effizient, wenn Bund, Kantone und Städte zusammenarbeiten um nicht Dutzende Male für die selbe Software hohe Lizenzgebühren bezahlen zu müssen – so geschehen beispielsweise bei der Entwicklung der E-Voting Lösungen.

Gleichzeitig gibt es in der IT immer noch zahlreiche Bereiche, in denen aufgrund des Koordinationsaufwandes, schwacher IT-Strategie oder anderen Gründen die öffentlichen Institutionen nicht optimal kooperieren. Dort können sich private Software-Anbieter oftmals lukrative Geschäftsfelder basierend auf proprietärer Nischensoftware aufbauen und jahrelang Gewinne mit Angeboten erzielen, die weder dem Stand der Technik noch unbedingt den Anforderungen der Behörden entsprechen.

Open Source Projekte der öffentlichen Hand für Public-Private Partnerships

Als sinnvolle strategische Option steht den öffentlichen Stellen die Möglichkeit offen, eigens entwickelte Fachapplikationen als öffentliches Gut unter einer Open-Source-Lizenz freizugeben um damit die freiwillige und unbürokratische Zusammenarbeit mit anderen Behördenstellen zu stimulieren.

Gleichzeitig bietet dieses Modell, gemäss der Parlamentarischen Gruppe Digitale Nachhaltigkeit strategische Vorteile, denn es bleiben wichtige Technologie-Kompetenzen für die geschäftskritische Software bei der öffentlichen Hand. Und drittens wird ein gesunder, nicht auf Vendor Lock-in basierender Wettbewerb unter privaten Software-Anbietern ermöglicht.

Damit entsteht ein volkswirtschaftlich effizientes Umfeld von Public-Private Partnerships, bei dem letztendlich alle Stakeholder (Behörden, Unternehmen und Bürger) Gewinner sind. Dass dies nicht Utopie sein muss, zeigen verschiedene Beispiele aus umliegenden Ländern. Die von der europäischen Kommission geförderte Plattform Open Source Observation Repository OSOR.eu zählt heute rund 2500 Open-Source-Projekte von öffentlichen Institutionen, die europaweit bei Behördenstellen produktiv im Einsatz stehen.

In der Schweiz sind Open Source Veröffentlichungen durch Behörden leider noch eine Seltenheit, heisst es in der Mitteilung der Parlamentarischen Gruppe Digitale Nachhaltigkeit. Laut dem Regierungsrat François Marthaler kann durch Open Source mit Einsparungen in Milliardenhöhe gerechnet werden. Als eine der wenigen Ausnahmen hat der Kanton Zug vor gut einem Jahr seine Geschäftsverwaltungssoftware freigegeben. Nun strebt als weitere öffentliche Institution das Bundesgericht dieses Open Source Modell an.

Mit der geplanten Veröffentlichung der selber entwickelten Gerichtssoftware "OpenJustitia" unter einer Open-Source-Lizenz lässt das Bundesgericht andere Gerichte von den bereits getätigten Investitionen profitieren. Dabei tritt das Bundesgericht als Facilitator und nicht als neuer Software-Anbieter auf den Markt, denn die Integrationsarbeiten sollen die kantonalen Gerichte entweder selber vornehmen oder durch private Software-Anbietern erbringen lassen.

Damit ist ein fairer Wettbewerb basierend auf der kostenlos zugänglichen Gerichtssoftware "OpenJustitia" gemäss der Parlamentarischen Gruppe Digitale Nachhaltigkeit gewährleistet. Gleichzeitig profitieren sowohl kantonale Gerichte als auch Gerichtssoftware-Anbieter von den Software-Wartungsleistungen und Weiterentwicklungen durch das Bundesgerichts. Dies erfolgt im Sinne der durch das Informatikstrategieorgan Bund (ISB) propagierten E-Government Strategie, die explizit Mehrfachverwendung von öffentlichen Entwicklungsleistungen fordert: "Einsparungen durch Mehrfachnutzung und offene Standards: Dank dem Prinzip einmal entwickeln – mehrfach anwenden, offenen Standards und gegenseitigem Austausch werden die Investitionen optimal genutzt."

Unterstützung durch die Parlamentarische Gruppe Digitale Nachhaltigkeit

Mitglieder der Parlamentarischen Gruppe Digitale Nachhaltigkeit unterstützen denn auch ausdrücklich dieses vorbildliche Vorgehen des Bundesgerichts. Nationalrat Thomas Weibel, der im April dieses Jahres die von zahlreichen Parlamentariern unterzeichnete Motion "Förderung der Freigabe von Open Source Software" eingereicht hat, stellt fest: "Von der konsequenten Umsetzung der Open Source Strategie des Bundesgerichts profitieren alle Bürgerinnen und Bürger, denn durch die effiziente Nutzung der Steuergelder und das Wegfallen von Doppelspurigkeiten können namhafte Einsparungen erzielt werden."

Co-Präsidentin der Parlamentarier-Gruppe Edith Graf-Litscher sieht den Wettbewerb nicht gefährdet: "Anbieter von proprietärer Gerichtssoftware, die sich durch diese Effizienzoffensive des Bundesgericht bedroht sehen, argumentieren in ihrem eigenen Interesse, nicht in dem des Steuerzahlers. Im vorliegenden Fall scheinen die Gerichte ganz ohne Gewinnstreben selbst besser, effizienter und damit günstiger zu sein." Für Nationalrätin Graf-Litscher setzt das Bundesgericht mit diesem Open-Source-Engagement eine Kernforderung der Parlamentarischen Gruppe Digitale Nachhaltigkeit um: "Initiativen dieser Art sind ein wichtiger Beitrag zur digitalen Nachhaltigkeit in der öffentlichen Verwaltung."

Entsprechend will sich Co-Präsident Christian Wasserfallen für das Vorgehen des Bundesgerichts in der Geschäftsprüfungskommission GPK einsetzen: "Ich befürworte im Sinne einer kosteneffizienten Verwaltungs-IT, dass auch andere Gerichte von den bereits getätigten Ausgaben des Bundesgerichts profitieren. Mit Dienstleistungen rund um die Open-Source-Lösung OpenJustitia können Software-Firmen wiederum neue Geschäftstätigkeiten aufbauen. Wichtig dabei ist, dass das Bundesgericht alle privaten Anbieter gleich behandelt. Ich werde mich in der GPK dafür einsetzen, dass die Empfehlungen an das Bundesgericht in diesem Sinne abgegeben werden."