Markus Kilb im Interview

Das sagt der Twint-CEO zur Einführung von Instant Payment

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Mit über 400 Millionen Transaktionen im Jahr 2023 gehört Twint zu den beliebtesten Zahlungsmitteln in der Schweiz. Die App punkte nicht nur mit Schnelligkeit, sagt Twint-CEO Markus Kilb. Im Interview verrät er, wie sein Unternehmen Geld verdient, welches Feature floppte und wie Twint KI einsetzt.

Markus Kilb, CEO, Twint. (Source: © ChefAlps)
Markus Kilb, CEO, Twint. (Source: © ChefAlps)

In der Schweiz steht Instant Payment kurz vor dem Start. Was bedeutet das für Twint?

Markus Kilb: Twint funktioniert aus Sicht der Nutzerinnen und Nutzer heute schon «instant», beziehungsweise Geldbeträge werden sofort gebucht. Für die Nutzenden von Twint ändert sich mit der Einführung von Instant Payments also vorerst nicht viel.

Vor Ihrem Wechsel zu Twint waren Sie Manager bei der Grossbank Unicredit. Warum dauerte es so ­lange, bis Banken mit Instant Payment anbieten, was Twint schon seit Jahren kann?

Twint konnte von Anfang an auf eine moderne, flexible Plattform setzen, die speziell für schnelle und effiziente Zahlungsabwicklungen entwickelt wurde. Unsere agile Struktur und unser Fokus auf innovative Zahlungslösungen haben es uns ermöglicht, für unsere Nutzenden instant zu funktionieren, während die Zahlungstransfers im Hintergrund zeitlich versetzt ablaufen. Wichtig ist es, festzuhalten, dass Instant Payment für sich genommen noch kein Zahlungssystem, sondern lediglich eine technische Infrastruktur für schnelle Überweisungen ist. Die schnelle Überweisung ist nur ein Element des Erfolgs von Twint – darauf baut das gesamte flexible, praktische Nutzungserlebnis der App auf.

Eine oft genannte Herausforderung in Zusammenhang mit Instant Payment ist die Sicherheit und die Betrugsbekämpfung. Was kann die Finanzbranche hier von Twint lernen?

Im Gegensatz zu einem vollumfänglichen Zahlungsmittel wie Twint ist Instant Payment zunächst wie erwähnt nur eine Überweisungsinfrastruktur. Für ein vollwertiges Zahlungssystem braucht es neben einer Überweisungsinfrastruktur aber auch wesentliche Merkmale wie Risikoschutz für Konsumenten und Händler sowie ein intuitives und nutzerfreundliches Zahlungserlebnis. Sprich: Die technische Infrastruktur für die Überweisung ist nur ein Teil unseres Erfolgs. Wichtiger ist das flüssige und vielseitige Nutzungserlebnis, das wir mit der Twint-App bieten.

Lange Zeit waren schnelle Geldüberweisungen von Person zu Person ein Markenzeichen von Twint. Doch nicht nur Instant Payments, sondern auch Click-to-Pay versprechen aktuell Ähnliches. Wie rüsten Sie sich gegen diese Konkurrenz?

Bei Überweisungen von Person zu Person geht es nicht nur um Geschwindigkeit, sondern auch um eine einfache und intuitive User Experience. Zudem findet die überwiegende Mehrzahl an Transaktionen mit Twint im Handel statt. Aktuell wächst Twint zum Beispiel am stärksten an der Ladenkasse. Was uns auszeichnet ist unter anderem die einfache Nutzbarkeit der App sowie die Einbindung in Alltagsanwendungen wie Parkieren oder Bezahlen an der Supermarktkasse. Was den E-Commerce betrifft, sind Online-Wallets auch in der Schweiz kein Novum – entsprechende Anbieter gibt es schon seit vielen Jahren. Dennoch bevorzugten die meisten Menschen hierzulande die einfache und schnelle Zahlung mit Twint. Neben dem bequemen Nutzungserlebnis dürfte das mitunter daran liegen, dass Twint eine App mit breitem Funktionsumfang ist: So kann man etwa mit nur einem Klick vergangene Transaktionen einsehen und hat Zugriff auf eine ganze Reihe von Zusatzfunktionen, die den Alltag vereinfachen. 

Seit ihrem Stellenantritt als CEO vor mehr als fünf Jahren erhielt die Twint-App immer wieder neue Funktionen. Rechnet sich ein so überladenes ­Produkt?

Für uns steht bei allen Funktionen immer die Frage am Anfang: Wie können wir für unsere Nutzerinnen und Nutzer einen Mehrwert bieten? Mit diesem Leitgedanken bringen wir innovative Lösungen auf den Markt, die den alltäglichen Bedürfnissen unserer über 5 Millionen Nutzerinnen und Nutzer entsprechen. Die Nutzungszahlen und Feedbacks zeigen, dass sowohl User als auch Händler mit dem Funktionsumfang von Twint äusserst zufrieden sind.

Wie verdient Twint Geld?

Die Einnahmen von Twint ergeben sich aus mehreren Quellen: Einerseits erwerben die Banken bei uns eine Lizenz, um Twint ihrer Kundschaft zur Verfügung zu stellen; andererseits entstehen Erträge aus Gebühren, die von den Händlern für die Zahlungsakzeptanz mit Twint entrichtet werden – so wie bei anderen Zahlungsmitteln auch. Des Weiteren generieren wir Einnahmen aus einer Vielzahl von Mehrwertleistungen in der App. Twint ist mittlerweile mehr als nur ein Zahlungsmittel – wir sind gleichzeitig auch ein Marktplatz mit einem vielseitigen Angebot für Händler und Endkonsumenten.

Auf Druck der Wettbewerbshüter der EU gibt Apple anderen Entwicklern von Zahlungsdiensten Zugang zum NFC-Chip seiner Geräte fürs kontaktlose Bezahlen. Wann können wir endlich auch mit Twint per NFC bezahlen? 

Apple hat in Aussicht gestellt, den Zugriff auf die NFC-Schnittstelle im Europäischen Wirtschaftsraum erstmals für Drittparteien zu öffnen. In der Schweiz ist eine derartige Öffnung bislang nicht erfolgt. Sollte Apple die NFC-Schnittstelle in der Schweiz für andere Anbieter öffnen, werden wir prüfen, ob sich dadurch Vorteile für unsere Nutzerinnen und Nutzer ergeben. Der Zahlungsprozess mit der Twint App funktioniert aber jetzt schon schnell und bequem via Abscannen des QR-Codes auf Terminals oder mit dem Twint QR-Code-Sticker. Auf iOS-Betriebssystemen kann die Zahlung dank dem neuen Twint Widget sogar direkt vom Sperrbildschirm aus in nur einem Klick erfolgen. Zudem können seit kurzem zahlreiche Kundenkarten direkt in der Twint App hinterlegt und beim Zahlungsprozess vorgezeigt werden. Damit entfällt das Herumkramen im Portemonnaie nach Coop Supercard oder Migros Cumulus. Genau hier offenbaren sich die Vorzüge einer mit umfassenden Funktionen ausgestatteten Bezahl-App wie Twint.

Verraten Sie uns, welche Funktionen gefloppt sind und wieder gestrichen wurden?

Wir hatten eine Zeitlang in der Twint-App eine integrierte Funktion für Essenslieferungen. Die Nachfrage danach war aber sehr gering. Unsere Nutzerinnen und Nutzer bezahlen zwar sehr gerne Essenslieferungen mit Twint. Aber die Bestellung direkt in der App aufzugeben, bot dabei keinen Mehrwert und wurde entsprechend kaum genutzt. Aus solchen Fällen lernen wir und überlegen uns genau, wo wir für die User im Alltag echte Mehrwerte bieten können. Vielseitige Funktionen wie unsere wöchentlichen Super Deals, die Spendenfunktion oder der Bargeldbezug erfreuen sich grosser Beliebtheit.

Noch kennen wir Twint als Schweizer Insel-Zahlsystem. In der Vergangenheit machten aber auch Pläne zu Expansionen ins Ausland die Runde. Wie steht es damit?

Twint ist in erster Linie ein System aus der Schweiz für die Schweiz. Wir konzentrieren uns voll darauf, den Alltag unserer über 5 Millionen Nutzerinnen und Nutzer noch einfacher zu machen. In diesem Zusammenhang ermöglichen wir die Bezahlung mit Twint auch in immer mehr internationalen Onlineshops. Das entspricht dem Bedürfnis unserer Nutzenden. Ein aktuelles Beispiel ist etwa Airbnb. Nutzerinnen und Nutzer aus der Schweiz können auf der Plattform seit Kurzem mit Twint bezahlen. Oder die Zusammenarbeit mit Stripe – seit einigen Wochen ermöglichen zahlreiche internationale und einheimische Stripe-Händler ihrer Kundschaft in der Schweiz die Bezahlung mit Twint. Wir verzeichnen in diesem Bereich also grosse Fortschritte – was das Einkaufserlebnis für unsere Nutzerinnen und Nutzer noch bequemer gestaltet.

Beim Blättern durch Twint sehe ich eines kaum: KI-Funktionen. Verschläft Twint gerade die Revolution?

Tatsächlich schwingen im Hintergrund bei diversen Twint-Funktionen jetzt schon Elemente von KI mit. Wir sind uns der Bedeutung und des Potenzials von KI also sehr bewusst und analysieren neue technologische Entwicklungen eingehend. Wir wollen KI aber nicht einfach als Trend verstehen. Im Zentrum stehen stets Nutzen und Alltagsrelevanz. Dort, wo sich also ein konkreter Mehrwert für unsere Nutzerinnen und Nutzer ergibt, ziehen wir auch den Einsatz von KI in Betracht. 

Wo und wie kommt in und um Twint KI zum Einsatz?

Bei gewissen Funktionen kommt KI jetzt schon im Hintergrund zum Einsatz. Etwa bei der automatischen Kennzeichenerkennung, welche die ticketlose Ein- und Ausfahrt bei Parkhäusern ermöglicht. Zudem spielt KI bei uns auch im Bereich des Transaktionsmonitorings und der Betrugsprävention eine Rolle. Aber auch in Bezug auf unsere internen Prozesse und Tools setzen wir uns intensiv mit den Vorteilen und Risiken von KI auseinander.  

Wo möchten Sie in der Finanzbranche gerne mehr KI sehen? Und was stört Sie am aktuellen Hype? 

Wir sehen das grosse Interesse an künstlicher Intelligenz durchaus als Chance für die Branche. Die Technologie hat grosses Potenzial, was die Verbesserung des Kundenerlebnisses und die Optimierung von Arbeitsprozessen anbelangt. Verfehlt wäre es dagegen, unrealistische Erwartungen an KI als Lösung für sämtliche Probleme zu schüren. Wie erwähnt ist es im Endeffekt entscheidend, ob die Vorteile aus solchen neuen Technologien für die Endkonsumenten auf nützliche Weise greifbar gemacht werden können. Entsprechend wünsche ich mir, dass die Vorzüge und Risiken solcher Technologien in unserer wie auch in anderen Industrien offen, transparent und konstruktiv diskutiert und evaluiert werden.

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