So will Swiss Stablecoin den digitalen Franken salonfähig machen
Mit dem Ziel, ein schweizerisches digitales Zahlungsmittel für alle zu schaffen, gründete Pascale Bruderer 2022 Swiss Stablecoin. Nach anfänglichen Schwierigkeiten fühlt sie sich heute in ihrer Vision bestätigt. Warum sie sich für einen digitalen Franken einsetzt und was diesen ausmacht, sagt sie im Gespräch.
Eine persönliche Frage zum Einstieg: Was hat für Sie den Ausschlag gegeben, sich für einen digitalen Franken einzusetzen und Swiss Stablecoin zu gründen?
Pascale Bruderer: Den Ausschlag gab meine persönliche Erfahrung mit einem internationalen Stablecoin-Projekt, das sich die Vorteile des Standorts Schweiz zunutze machen wollte. Das hat mir im doppelten Sinne die Augen geöffnet: für die Chancen, die sich unserer Wirtschaft mit einem «digitalen Franken» bieten werden, aber auch für die Gefahren, wenn unser Land dafür nicht eine eigene, souveräne Schweizer Lösung bereithält.
Um welches Projekt handelte es sich?
Konkret arbeitete ich 2020/2021 beim ursprünglich von Facebook lancierten Stablecoin-Projekt Libra – später Diem – mit. Wie fundamental die dezentrale Technologie den Zahlungsbereich verändern und mit neuer Funktionalität erweitern wird, wurde mir erst im Rahmen dieses Mandats klar. Es war keine Überraschung, dass das Mega-Projekt unter internationalem Druck von Behörden und Zentralbanken zum Rückzug gezwungen wurde. Nach diesem Wakeup-Call begann international ein wichtiger politischer Prozess: Die gesetzliche Einbettung von Stablecoins. Damit werden die Risiken in der Anwendung strenger adressiert. Gleichzeitig entfaltet sich dank mehr Rechtssicherheit aber auch das Innovationspotenzial viel breiter. So haben wir 2022 Swiss Stablecoin gegründet und von Beginn an konsequent auf ein reguliertes Setting für die Herausgabe eines wertstabil auf FIAT-Basis hinterlegten Stablecoins gesetzt. Das war der richtige Entscheid. Nicht nur die aktuellen internationalen Marktentwicklungen bestätigen unser Umsetzungsmodell, sondern auch die vom Bundesrat soeben neu vorgeschlagenen Gesetzesanpassungen.
Welcher mögliche Use Case begeistert Sie aktuell am meisten?
Das schlagende Argument für Stablecoins – und genau das begeistert mich am meisten – ist eben gerade deren Multifunktionalität. Also die Einsatzfähigkeit nicht nur für einen Use Case allein, sondern die Vorteile bei ganz unterschiedlichen Anwendungen. Und dies mit Mehrwert weit über die Finanzindustrie hinaus. Für die Realwirtschaft relevant ist zum Beispiel ein einfacheres, effizienteres Liquiditäts- sowie generell Treasury-Management. Ein weiteres Beispiel sind Micropayments: Zahlungen in Rappenhöhe, die heute schlicht zu teuer oder zu umständlich sind. Stablecoins ermöglichen automatisierte, programmierbare Zahlungen mit unmittelbarem Settlement. Dadurch werden die Transaktionen nicht nur günstiger, sondern dank der Integration von Smart Contracts auch clever – sei es für «Pay per Use»-Modelle, bei der Einspeisung von Energie oder bei Maschine-zu-Maschine-Zahlungen.
Das Konzept des Stablecoins ist nicht ganz einfach greifbar. Wie erklären Sie einer in digitalen Zahlungsmitteln nicht versierten Person, warum sie sich für einen Stablecoin interessieren sollte?
Oft wird das Bild eines Checks verwendet: Wie die früher bekannten Traveller’s Cheques sind Stablecoins bereits mit echtem Geld unterlegt, sie sind übertragbar und einfach einsetzbar. Der Vergleich stimmt zwar, aber es kommt noch etwas Wichtiges hinzu: Als digitales Zahlungsmittel kann der Stablecoin – bildlich gesprochen – ganz andere «Fahrbahnen» benutzen als es bei Zahlungen mit Checks, Bargeld oder per Banküberweisung möglich ist. Denn Letztere müssen dafür stets Umwege nehmen und verschiedene Wegposten passieren, das dauert seine Zeit und kostet Gebühren. Diese trägt der Handel, darum spüren wir es als Zahlende meist nicht direkt. Ausser bei grenzüberschreitenden Zahlungen – und dort ist diese «Zollgebühr», um beim Bild zu bleiben, besonders hoch. Stablecoins hingegen nutzen im Unterschied dazu quasi eine Autobahn – als direkten Weg zwischen Sender und Empfänger. Das spart Zeit und Geld.
Die E-ID wurde im September äusserst knapp angenommen. Die Gegner der Vorlage warnten dabei vor Risiken im Zusammenhang mit dem Datenschutz. Ähnliche
Warnungen sind auch im Kontext der digitalen Zahlungsmittel zu hören. Was entgegnen Sie den Kritikern?
Vertrauen und Datenschutz sind und bleiben auch für mich absolut zentral – als Bürgerin, als ehemalige Politikerin und ebenso als Unternehmerin. Ich verstehe darum diese Bedenken sehr gut und finde es absolut richtig, dass ihnen Rechnung getragen wird. Nicht nur in technischer Hinsicht, sondern auch durch entsprechende Governance-Bestimmungen.
Abgesehen vom Datenschutz stellt sich die Frage der Sicherheit: Wie leicht ist der digitale Franken zu hacken?
Keine Frage – es braucht allerhöchste Sicherheitsstandards in puncto Zugriffskontrollen und weitergehende Datensicherheit. Stablecoins sind mit einem Marktvolumen von inzwischen rund 300 Milliarden US-Dollar in der institutionellen globalen Finanzinfrastruktur angekommen. Es ist nicht nur im Interesse der Nutzerinnen und Nutzer und deren Vertrauen, sondern auch im ureigenen Interesse der Herausgeber selbst, der Sicherheit höchste Priorität einzuräumen und Ansprüche analog zu Bankensystemen zu erfüllen.
Was braucht es, um einem digitalen Franken vertrauen zu können?
Drei Dinge sind aus meiner Sicht entscheidend. Erstens die Wertstabilität der Hinterlage, so kann ein digitaler Franken jederzeit wieder in einen Franken in herkömmlicher Form gewechselt werden. Zweitens ein regulatorischer Schutz dieser Kundengelder, wie er im neuen Bundesratsvorschlag vorgesehen ist. Und last but not least eine breite Abstützung: Banken, Unternehmen und Behörden, die gemeinsam für den und hinter dem digitalen Franken stehen, seine Vorteile nutzen und so auch der Bevölkerung zugänglich machen. Kurz: Die Schweiz bietet beste Voraussetzungen – und viel Erfahrung mit Innovationen im regulierten Bereich dank hervorragender Private Public Partnership.
Auf der Website zeichnen Sie die Vision eines digitalen Frankens als «Zahlungsmittel, das Vertrauen und Innovation verbindet. Es ergänzt die bestehende Zahlungsinfrastruktur, wird stark in der Finanzindustrie verankert und gleichzeitig auf die breiten Bedürfnisse der Realwirtschaft ausgerichtet sein.» Wo steht Swiss Stablecoin auf dem Weg zur Verwirklichung dieser Vision?
Dieser Vision und diesen Werten bleiben wir treu. Auch wenn der Weg anfangs steinig war: Wir hatten von Beginn an den Anspruch, ein breit genutztes digitales Zahlungsmittel zu planen – keinen Kryptocoin für die Nische. Dass wir mit dieser Positionierung richtig liegen, hat uns das Jahr 2025 eindrücklich bewiesen. Die Partnerschaftsgespräche laufen so intensiv wie nie zuvor. In Übereinstimmung mit der weltweiten Entwicklung spüren auch wir heute den Zuspruch der Banken. Wir sind froh, zum richtigen Zeitpunkt mit dem richtigen Umsetzungsmodell bereitzustehen und die vergangenen Jahre gut genutzt zu haben: Swiss Stablecoin hat die CHFD-Plattform entwickelt und in Zusammenarbeit mit der Postfinance getestet. Gleichzeitig führten wir stets einen intensiven Dialog sowohl mit Behörden als auch mit schweizweit verankerten Unternehmen. Ein neulich von uns durchgeführter Roundtable hat ein breites Interesse an einem digitalen Franken bestätigt. Für dessen Erfolg wird ein solch starkes Netzwerk matchentscheidend sein.
Vor Kurzem erst hat der Bundesrat die Vernehmlassung zum Finanzinstitutsgesetz gestartet, mit dem er unter anderem bessere Marktbedingungen für Stablecoins schaffen will. Wie zufrieden sind Sie mit dem vorgeschlagenen Regelwerk? Und was haben Organisationen wie Swiss Stablecoin konkret davon?
Ich begrüsse das vorgeschlagene Regelwerk ausdrücklich. Nicht nur, weil ich darin den Ansatz von Swiss Stablecoin vollumfänglich bestätigt sehe. Sondern auch, weil die Schweiz damit die richtige Antwort auf die rasanten technologischen Entwicklungen der letzten Jahre gibt. Der Vorschlag erhöht den Schutz der Kundinnen und Kunden, ermöglicht den Unternehmen innovative Anwendungen und stärkt die Zukunftsfähigkeit des Finanzstandortes Schweiz.
In Europa treiben zumindest einige Akteure den digitalen Euro voran. Was sollte sich die Schweiz von diesem Projekt abschauen? Und was sollte oder muss sie anders angehen?
Ein solches staatlich verordnetes Top-down-Vorgehen wäre in der Schweiz kaum Erfolg versprechend – und meines Erachtens auch nicht wünschenswert. Anders als die EZB im Euro-Raum fokussiert die SNB aus guten Gründen in puncto digitaler Franken auf den Wholesale-Bereich. Damit die Wirtschaft und Bevölkerung ebenfalls profitieren kann, wird in der Schweiz also privatwirtschaftliches Engagement benötigt. Dafür bieten wir eine massgeschneidert, zur Schweiz passende bankenbasierte Stablecoin-Plattform. Auch wenn ich ordnungspolitisch klare Vorbehalte gegenüber dem Vorgehen der EZB habe, so will ich immerhin die breite Debatte würdigen, die zum digitalen Euro geführt wird. Diese macht nämlich deutlich, dass eine digitale Weiterentwicklung der Zahlungsinfrastruktur nicht nur deren Innovation stärkt, sondern auch deren Souveränität und Resilienz. Das sind hoch relevante Fragen, die in der heutigen geopolitischen Zeit definitiv Aufmerksamkeit verdienen.
Wann und wofür werden Sie dereinst ihren ersten digitalen Franken der Swiss Stablecoin ausgeben?
Dass mich Anwendungen in der Realwirtschaft begeistern, wissen Sie ja bereits. Und Stablecoins eignen sich hervorragend für die Integration in fälschungssichere Ticketing-Systeme. Warum also nicht für ein Handballspiel-Ticket? Da kommt mir in den Sinn – im Januar 2028 findet in Zürich die Handball-EM statt.
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