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Fintechs, Blockchain, KI: Wo CEO Jürg Hunziker 2019 bei Avaloq Gas geben will

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Jürg Hunziker orchestriert Avaloq als CEO seit etwas mehr als einem Jahr. Im Interview verrät er, was sich seither beim Unternehmen getan hat, auf welche Technologien er setzt und wie Avaloq Banken und Versicherungen im digitalen Wandel unterstützen will. Und er gibt Einblick in die Roadmap 2019.

Jürg Hunziker, CEO, Avaloq
Jürg Hunziker, CEO, Avaloq

Sie sind seit etwas mehr als einem Jahr CEO von Avaloq, welches Fazit ziehen Sie?

Jürg Hunziker: Das Jahr ist rasch vorbeigegangen, und das zeigt auch, dass es nicht nur für mich, sondern für uns alle bei Avaloq eine spannende Phase ist. Der Faktor Zeit – Neudeutsch « Time to Market » – ist heute, abgesehen von der eigentlichen Innovation, der wesentliche Treiber in der Transformation der Finanzindustrie. Die Welt dreht sich nicht schneller, aber die Erwartungshaltung an eine schnelle Umsetzung von Innovationen und neuen Geschäftsmodellen ist drastisch gestiegen.

Was bedeutet das für Avaloq?

Wir sind strategisch gut aufgestellt, um die sich daraus ergebenden Bedürfnisse abzudecken. Wir streben nach Balance zwischen Kontinuität und kurzfristiger Innova­tion. Im Bereich Innovation experimentieren wir viel und lassen auch Fehler zu. Banken brauchen mehr denn je umfassende Gesamtlösungen, und darüber hinaus steigt die globale Nachfrage nach Prozessauslagerungen. Konsequenterweise entwickeln wir also nicht mehr nur Software, sondern betreiben diese für unsere Kunden auch als Outsourcing-Service. Ich habe viel Freude an der Firma und unseren Mitarbeitenden, die mit viel Herzblut für die Kunden da sind.

Sie haben die Konzernspitze nach Ihrem Antritt umgebaut. Warum war das nötig?

Nach der Stärkung unserer Kapital- und Aktionärsstruktur im Jahr 2017 war dies ein weiterer Schritt, um unsere Strategie noch schneller umzusetzen. Mit der neuen Organisation unter dem erweiterten Führungsteam können wir uns noch stärker auf die Kundenbedürfnisse und auf die Entwicklungen in den einzelnen Marktregionen fokussieren. Ein tragendes Element ist die internationale Expansion, die auch Innovation für unserer Schweizer Kunden hervorbringt. Zudem erlaubt uns die neue Struktur, unser Technologie- und Dienstleistungsangebot noch gezielter einzubringen, weil wir näher am Puls der globalen Märkte sind. Die Nachfrage nach Automatisierungs­lösungen im globalen Bank- und Vermögensverwaltungsgeschäft nimmt laufend zu, woraus sich erhebliche Wachstumschancen für Avaloq ergeben. Diese Chancen können wir nun breit und effizient wahrnehmen.

Eine neue weitere Stelle haben Sie mit dem Group Chief Product Officer geschaffen. Welche Aufgaben hat er?

Der Chief Product Officer ist sozusagen ein Übersetzer zwischen Technologie und Service auf der einen Seite und Kunden und Märkten auf der anderen Seite. Dabei wird er eng mit unserem Group Chief Technology Officer und natürlich mit den Marktverantwortlichen zusammenarbeiten. Ich bin überzeugt, dass wir so unsere bestehenden Lösungen noch besser skalieren und unseren Kunden dabei helfen, ihre Kunden noch besser zu bedienen. Mit dem erweiterten Produktmanagement wollen wir mit schnellem Prototyping die Innovationskraft von Avaloq weiter erhöhen. Mit dem Prinzip «try fast, fail fast, learn fast» sind wir in der Lage, schnell abzuschätzen, ob eine Innovation vom Markt gut aufgenommen wird, und werden so noch agiler.

Was sind aus Ihrer Sicht aktuell die Herausforderungen im Softwaremarkt für Finanzdienstleister?

Mit Software allein ist es nicht mehr getan. Technologie bleibt ein entscheidender Faktor, darum investieren wir ­jedes Jahr über eine Million Stunden in Innovation. Aber ich sehe langfristiges Wachstum nur in Verbindung mit Dienstleistungen wie Software-as-a-Service oder Business-Process-as-a-Service. Letzteres erlaubt es Banken, einen grossen Teil der Abwicklung uns zu überlassen, sodass sie sich auf ihr differenzierendes Kerngeschäft konzentrieren können.

Wie unterstützt Avaloq die digitale Transformation bei Finanzdienstleistern?

Wir automatisieren die Finanzbranche im Backoffice, im Frontoffice und in der Interaktion mit den Kunden und unabhängigen Vermögensberatern. Ein Beispiel dafür ist, dass wir im Backoffice Prozesse automatisieren und diese kaum mehr manuelle Eingriffe benötigen. Damit steigt die Effizienz eines Finanzinstituts markant. Dazu kommen Digital-Banking-Lösungen von uns sowie von anderen Fintechs, von denen auch die Endkunden profitieren. Wir glauben, dass sich Finanzinstitute heute und in Zukunft vollumfänglich auf ihr Kerngeschäft und ihre Kunden fokussieren können. Technologie ist hierfür entscheidend, und wir helfen Banken bei dieser Transformation.

Fintech-Unternehmen wie Wirecard oder N26 mischen die Finanzwelt auf. Wie verändert sich dadurch das Umfeld für bestehende Firmen und ihre IT-Partner?

Innovationsgeschwindigkeit ist sehr wichtig, um den Erwartungen der Konsumenten zu entsprechen. Daher setzen wir verstärkt auf Kollaboration mit innovativen Fintechs. Sie erhalten Zugang zu einem offenen Markplatz, auf dem sie Banken in unserer Community ihre Lösungen anbieten können. Damit verbessert sich dann natürlich der Service, den Banken ihren Kunden bieten können.

Avaloq hat seine Geschäftzahlen 2018 vorgelegt. Das Unternehmen meldet ein Umsatzwachstum mit neuen Kunden und As-a-Service-Lösungen. Es gibt aber auch ein Minus zu verzeichnen, wie Sie hier lesen können.

Banken und Versicherungen müssen sich wandeln, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Wie kann die IT da helfen?

IT ist der Schlüssel zu diesem Kulturwandel. Offene Plattformen erlauben schnellere Time-to-Market. Wesentlich dabei ist aber, dass die Daten dabei konsistent bleiben und die jeweilige Plattform auch skaliert und mit der Bank sozusagen mitwachsen kann.

Auch in der Finanzwelt ist viel vom Einsatz künstlicher Intelligenz die Rede. Welche Bedeutung hat diese Technologie für Avaloq?

Wir befassen uns bereits seit Längerem sehr konkret mit dem Thema KI. Unsere Softwareplattform bietet Banken eine sehr gute Grundlage für KI-Anwendungen. Wir verfolgen diesen Trend und fokussieren stark auf Effizienz und intelligentes Banking. Ein wesentliches Potenzial für den Einsatz von KI und Robotics liegt in der zusätzlichen Automatisierung der Abwicklungsprozesse wie Corporate Actions und Exception Management.

Avaloq hat einen Venture-Fonds für Fintechs gegründet. Was bezwecken Sie damit?

Mit Avaloq Ventures erhöhen wir die Innovationsgeschwindigkeit – sowohl unsere als auch die unserer Kunden. Wir gehen dabei in drei Schritten vor : Erstens machen wir innovative Start-ups und Unternehmen ausfindig. Zweitens verschaffen wir ihnen Zugang zu Risikokapital und Finanzierungen. Und drittens begleiten wir sie bei der Weiterentwicklung, schauen, dass sie ihr volles Marktpotenzial ausschöpfen und skalieren können. Eine klare Win-win-Situation: Avaloq verstärkt sich innovativ und erschliesst sich zusätzliche Expertise und Lösungen. Die Start-ups erhalten Zugang zu Kapital, Know-how und einer globalen Kundenbasis.

Wie bindet Avaloq Fintechs an die Avaloq Banking Suite an?

Unsere Kunden sind automatisch Teil des Avaloq-Ökosystems und profitieren von einem offenen Marktplatz, dem Avaloq Software Exchange. Das ist eine Art App Store für Banken. Möglich machen wir dies durch offene Programmierschnittstellen. Aktuell erhalten Fintechs, Entwickler von Drittparteien, aber auch Banken direkten Zugang zu über 150 sogenannten «API Endpoints», die sie wie aus einer «Bibliothek» beziehen können.

Avaloq ist am Lausanner Blockchain- und Crypto-Currency-Spezialisten Metaco mit 10 Prozent beteiligt. Warum?

Wir beschleunigen Innovation und die Time-to-Market von neuen Produkten. Blockchain-Technologien und -Anwendungen prägen die Finanzbranche stark und führen zu einem Wandel der erbrachten Dienstleistungen. Metaco ist darauf spezialisiert, Banken und Finanzinstitute dabei zu unterstützen, die neuesten Blockchain-Technologien und -Systeme für sich zu nutzen. Metaco als Pionier hat diesen Trend früh erkannt. Mit unserer Beteiligung erschliessen wir zusätzliches Know-how eines Branchen-Leaders für uns und komplementieren damit unsere eigenen Lösungen im Bereich der Blockchain-Technologie.

Wie schätzen Sie den Einfluss der Blockchain-Technologie auf die Finanzbranche ein?

Die Blockchain ist noch jung und muss weiter reifen. Wir glauben aber, dass die Technologie langfristig bleiben wird, auch weit über Kryptowährungen hinaus. Mit der Beteiligung an Metaco erschliessen wir uns zusätzliches Fachwissen eines Branchenführers, können unsere eigenen Lösungen ergänzen und damit unsere Innovationsgeschwindigkeit auf diesem Gebiet erhöhen. Die Zusammenarbeit trägt bereits erste Früchte: Gemeinsam sind wir im Dezember des letzten Jahres eine Innovationspartnerschaft mit der Gazprombank Switzerland eingegangen mit dem Ziel, eine integrierte Lösung für Krypto-Vermögenswerte zu entwickeln.

Sie haben im Dezember 2018 Lösungen für die Umsetzung der PSD2-Richtlinien lanciert. Was leisten diese?

Wir helfen Banken, den vielfältigen Herausforderungen und offenen Fragen rund um PSD2 – aber auch Open Banking im weiteren Sinne – zu begegnen. Nicht nur PSD2, sondern allen neuen regulatorischen Richtlinien begegnen wir proaktiv und integrieren sie in unsere Lösungen. Ohne diese technische Unterstützung können Kundenberater in Banken kaum mehr effizient arbeiten, vor allem im Geschäft über Ländergrenzen hinweg.

Was steht bei Avaloq 2019 auf der Agenda?

Das Jahr hat mit dem Go-Live der Raiffeisen begonnen, wirklich ein toller Start. Für den weiteren Verlauf des Jahres sehen wir viel Interesse an unseren Lösungen, zum Beispiel in Grossbritannien und im EU-Raum, so dass wir davon ausgehen, spannende neue Kunden in der Community begrüssen zu dürfen. Dabei sind auch die Märkte in Hongkong und Südostasien sowie Australien für uns strategisch wichtig.

Wo möchten Sie persönlich Schwerpunkte setzen?

Ich möchte auf dem erfolgreichen ersten Jahr als CEO aufbauen und gemeinsam mit allen Mitarbeitenden und Kunden die Erfolgsgeschichte von Avaloq auf dem Weg an den Kapitalmarkt weiter vorantreiben.

Welche Innovationen sind in naher Zukunft von Avaloq zu erwarten?

Konkret befassen wir uns aktuell mit folgenden Themen: Blockchain, künstliche Intelligenz, Digital Advisory, Reduzierung der Total Cost of Ownership der Systemlandschaft und robotergesteuerte Prozessautomatisierung (RPA). Gerade bei diesen Themen treten wir besonders aufs Gaspedal. Dafür haben wir eine klar definierte Roadmap – aber natürlich sind auch andere Themen Bestandteil der Planung. Jedoch innovieren wir nicht nur auf Produkt­ebene – auch unsere Arbeitswelten entwickeln wir weiter.

Können Sie dazu ein Beispiel nennen?

Das heisst etwa, dass wir im Recruiting neue digitale Wege gehen, oder dass sich unsere Teams ihre Ziele selbst setzen. Ausserdem entstehen in Zürich und Bioggio zwei Neubauten, die unseren Teams zeitgemässe Räumlichkeiten bieten – während wir auch international weiterwachsen. Ausserdem bauen wir unser Ökosystem weiter aus und wurden gerade für unsere Zukunftsvision Avaloq.one in Asien von einem Fachpublikum ausgezeichnet.

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