In Apples neuem Abo-Modell ist der Wurm drin
Kurz nach der Lancierung von Murdochs iPad-Zeitung The Daily hat Apple ein neues Abo-Modell gestartet. Rollt nun der Rubel für digitale Inhalte? Oder werden Medienhäuser zu reinen Inhaltelieferanten degradiert? Die Netzwoche hat sich bei Schweizer Branchenkennern umgehört.
Etwas über 600 Wörter umfasst das Dokument, das weite Teile der Welt der Bits und Bytes seit einigen Tagen in Atem hält. Kommentatoren und Experten in Blogs, Tech-Portalen und gar Zeitungsspalten spekulieren, kommentieren und polemisieren über das, was eigentlich nur eine Medienmitteilung des Technologie-Multis Apple ist: «Apple führt Abonnements im App-Store ein.»
Steine des Anstosses gibt es einige: Da ist etwa der 30-Prozent-Anteil der von Inhalteanbietern in Apps generierten Einnahmen, den Apple in seinem App-Store in die eigene Kasse abzweigen will. Dazu kommt die Vorschrift, dass die Inhalteanbieter ihre Angebote auf ihrer Website oder auf anderen Plattformen nicht zu günstigeren Konditionen als im Apple-Store anbieten dürfen. Zu guter Letzt will Apple auch weiterhin die Kontrolle über seine Kundendaten behalten, was Inhalteanbietern besonders sauer aufstösst.
Droht die Wachablösung?
Genau bei letzterem Umstand ändert sich jedoch praktisch nichts zur bisherigen Praxis. Die Kundendaten des App-Store-Nutzers «gehören» Apple, die Inhalteanbieter erhalten lediglich Klickraten und Statistiken. Das ist der Tamedia zu wenig, wie Kommunikationschef Christoph Zimmer gegenüber der Netzwoche verlauten lässt: «Ein direkter Kundenkontakt mit unseren Leserinnen und Lesern ist uns wichtig. Wir bedauern, dass die neuen Abo-Richtlinien von Apple diesen Kontakt erschweren.»
Auch für Michael Bornhäusser, Partner einer weltweit tätigen Beratungsagentur und Berater von Medienunternehmen, ist dies das grösste Problem bei den neuen Richtlinien: «Medienhäuser pflegen in der Regel enge Abonnentenbeziehungen mit ihren Kunden und wollen diesen auch weitere Produkte verkaufen.»
Eine mögliche Erklärung für die plötzliche Panik unter Verlegern hat indes Tech-Blogger und Apple-Kenner Jean-Claude Frick bereit: «Die Konzerne beschweren sich genau jetzt deshalb besonders heftig, weil sie im Apple-Modell ein funktionierendes System sehen, über das sie wenig Macht haben und Apple ausgeliefert sind. Sie fürchten möglicherweise eine Wachablösung.»
Die Befürchtungen kommen denn auch nicht von ungefähr, schliesslich hat Apple mit iTunes eine erfolgreiche Bezahllösung für digitale Musik gefunden. Als 2001 der I-Pod in Rekordzeit zum Kultobjekt avancierte, fühlten sich die Musikkonzerne vor den Kopf gestossen und verstrickten sich in juristischen Kampagnen gegen das illegale Herunterladen von Musik. Die CD-Verkäufe brachen in der Folge dramatisch ein. Schliesslich holte Steve Jobs die Konzerne an einen Tisch, um eine Bezahllösung für Musikdownloads zu finden und den Eroberungszug des iPods fortsetzen zu können.
Unklarheit bei aufstrebenden Portalen
Wer von der neuen Regelung betroffen ist, darüber besteht im World Wide Web derzeit alles andere als Klarheit. Unzählige Diensteanbieter fürchten um ihre Existenz. Dies obwohl Steve Jobs in einem kurzen Mail an «Macrumours.com» schreibt, dass Apple Abonnemente für publizistische Apps geschaffen habe und nicht für SaaS-Apps. Wo genau für Apple Content aufhört und SaaS beginnt, liegt im Ermessensspielraum des Technologiekonzerns.
Ganz klar betroffen sind jedoch aufstrebende Inhalteanbieter wie Rhapsody, für die die 30-Prozent-Abgabe der Todesstoss bedeuten könnte. Auf Tech-Blogs wird spekuliert, dass sie wegen des neuen Regimes von Apple wirtschaftlich kaum überleben werden, sich womöglich aus dem App-Store zurückziehen könnten und rein auf die Onlineplattform setzen müssten.
Rhapsody bietet einen Musik-Abodienst an und hat in den USA nach eigenen Angaben 750 000 Kunden. Für die Musik bezahlt das Unternehmen Lizenzgebühren an die Labels. Die Marge in dem Geschäft sei gering, lässt Rhapsody verlauten. Das dürfte auch für andere Dienste wie Spotify, eine unentgeltlich erhältliche Musik-Streaming-Software, oder Hulu, ein Video-on-Demand-Service, nicht anders sein. Die beiden sind jedoch relativ gut abgesichert: Letzterem wird schon heute durch die Medienunternehmen News Corporation und NBC Universal der Rücken gestärkt, um Ersteres bemüht sich derzeit Universal Music intensiv. Und wieder droht ihnen Apple einen Strich durch die Rechnung zu machen.
Lobende Worte für The Daily
Genau wie Steve Jobs beim Eroberungszug des I-Pods die Musikkonzerne hofiert hat, machte er es zuletzt mit Murdoch. Bornhäusser, der auch in den USA nahe an der Medienszene dran ist, bestätigt, dass nicht nur Murdoch, sondern auch Apple sehr viel am Vorhaben der neuen iPad-Zeitung «The Daily» liege. Vor der immensen Investition von geschätzten 30 Millionen Dollar zieht er denn auch den Hut. Dennoch rät er angesichts der geringen Erlöse von 99 Cent pro Woche oder 29 Dollar pro Jahr – bei 500000 Dollar Kosten für die Redaktion wöchentlich – Medienkonzernen derzeit nicht dazu, «The Daily» um jeden Preis nachzuahmen.
Lobende Worte für das Murdoch-Medium findet indes auch Chris Öhlund, Head of Digital Media der Blick-Gruppe: «Die iPad-Zeitung ist eine gute Sache für die Branche, sie zeigt erstmals auf, wie das Modell und die Preisstruktur aussehen kann.» Dennoch findet er das Vorpreschen von Apple mit den neuen Abogebühren nicht sehr geschickt. Kaum habe man ein von Nutzern akzeptiertes Modell mit den Apps gefunden, schon ändere man die Bedingungen, so Öhlund. Apple handle oft willkürlich, das sei für Medienkonzerne ein unsicheres Umfeld. Für ihn steht jedoch auf der anderen Seite ausser Frage, dass Apple für sein Ökosystem Geld verlangen darf.
Die Schweiz: ein Apple-Land
Die Zeichen der Zeit sind insbesondere in der Schweiz klarer denn je: An Apple führt derzeit kein Weg vorbei. Der Technologiekonzern wies laut Branchenkenner Robert Weiss im Jahr 2010 bei den Tablets einen Marktanteil von 92,7 Prozent aus. Andere Tablet-Hersteller dürften Apple im laufenden Jahr zweifelsohne Marktanteile streitig machen, doch auch der Gesamtmarkt werde um 250 bis 300 Prozent wachsen.
Zudem ist bekannt, dass jedes zweite verkaufte Smartphone in der Schweiz ein iPhone ist. Zum Vergleich: Obwohl etwa Deutschland zehnmal mehr Einwohner hat, ist die Verbreitung des iPhones nur zwei- bis dreimal höher als hierzulande.
Das bringt die hiesigen Medienkonzerne in eine Zwickmühle: Sie wollen sich nicht bedingungslos Apple ausliefern, andererseits dürften sie kaum auf Einnahmen aus dem Boom-Markt verzichten wollen. Bornhäusser rät den Medienhäusern angesichts der derzeitigen dynamischen Marktsituation dennoch zu einer dualen Strategie. «In den USA sehen wir, dass Android extrem im Aufwind ist. Ermöglicht hat dies auch Apple, das beim iPhone anfänglich einen Exklusivvertrag mit AT&T abschloss und damit Android den Markteintritt erleichterte.» Dennoch hält auch er fest, dass die Zahlungsbereitschaft in der Schweiz deutlich höher sei als etwa in den USA, was wiederum Apple zugute kommen dürfte.
Gefahr für den iPad dürfte tatsächlich am ehesten von Googles Android und dem angekündigten Onepass-Bezahlsystem kommen. Mit Onepass will Google nur 10 Prozent in die eigenen Kassen abzweigen, wie in einer Ankündigung des Konzerns zu lesen ist. Auch sonst sei beim Suchmaschinenkonzern erfahrungsgemäss mit einer liberaleren Gangart zu rechnen, ergänzt Bornhäusser. Dennoch dürfte es noch eine Weile dauern, bis I-Pad-Konkurrenten eine ernsthafte Bedrohung für Apple darstellten. Für Blogger Frick ist jetzt schon klar, dass es für die Medienkonzerne langsam ernst gilt: «Während Apps bisher eher ein Experimentierfeld oder ‹Hobby› für Verlage waren, geht es jetzt um den knallharten Aboverkauf.»

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