"Entwickler laufen Gefahr, vom Gerätehersteller verdrängt zu werden"
Andrej Vckovski ist Präsident des Branchenverbands der Schweizer Internetdienstleister Simsa und Geschäftsführer von Netcetera. Für ihn eröffnen Wearables wie Smartwatches neue Chancen für Entwickler.
Welche Trends sehen Sie auf dem Schweizer Wearables-Markt?
Andrej Vckovski: Es stellt sich zunächst die Frage: Was sind denn alles Wearables? Das sind ja nicht nur Uhren oder Fitnesstracker. Zu den Wearables muss man smarte Kleidung wie Jacken mit Sensoren hinzuzählen. Ein Hersteller bietet etwa eine Jacke an, die vibriert, wenn der Fahrer links oder rechts abbiegen soll. Das kann eine Hilfe für Motorradfahrer sein. Es gibt Geräte im medizinischen Bereich, die deutlich weiterentwickelter sind als einfache Fitnesstracker. Diese Geräte messen den Blutzuckerspiegel oder die Aktivitäten von älteren Trägern.
Bekannt sind Wearables für Fitnessanwendungen. Welche weiteren spannenden Bereiche gibt es hierfür?
Ein spannender Trend sind Wearables in der Landwirtschaft. Etwa das Live-Tracking von Tieren, wie zum Beispiel Pferde. Mit Wearables lässt sich erfassen, wann die Pferde auf der Weide traben und wann sie im Stall stehen. Das ist etwa bei der Zucht von Sportpferden ein Thema, um die Diätpläne und die Futtermischungen an die Bewegungsmuster der Tiere anzupassen. Bauern könnten mit Bewegungsmeldern und GPS die Bewegung von Nutztieren wie Kühe und Schafe verfolgen.
Wie sieht der Kostenfaktor aus, etwa bei Kühen?
Heute gibt es das analoge Wearable Kuhglocke. Die Produktionskosten für ein digitales Wearable liegen grundsätzlich tief. Am Markt fehlen derzeit aber noch grosse Anbieter mit dem Fokus Landwirtschaft. Das ist eine grosse Chance für Schweizer Entwickler.
Sind Wearables wie Smartwatches am Ende doch nur ein Hype? Ein neues Spielzeug für gelangweilte iPad-Besitzer?
Computer können heute so klein, stromsparend und kommunikativ gebaut werden, dass sie überall eingesetzt werden können. Deshalb sind Wearables definitiv kein Hype.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit den grossen Plattformanbietern wie Apple oder Google?
Google ist grundsätzlich weniger restriktiv bei der Freigabe von Apps in Google-Play als Apple im Appstore. Bei Unklarheiten ist die Kommunikation aber mit beiden Anbietern schwierig. Etwa bei Funktionen wie In-App-Käufen. Es ist nicht immer klar, ab wann ein Vorgang ein In-App-Kauf ist, etwa bei einer Vertragsverlängerung. Leider fehlen da direkte Ansprechpartner, um Unklarheiten im Vorfeld zu adressieren, wie sie bei anderen IT-Herstellern üblich sind. Unternehmen wie Netcetera bieten in solchen Fällen Consulting an. Ein weiteres Problem ist die Unsicherheit über die Strategie der Smart-Device-Hersteller.
Wie meinen Sie das?
Für Entwickler stellt sich immer die Frage, welche Funktionen der Plattformanbieter selbst anbietet und welche freie Entwickler anbieten können. Apple integriert Daten des öffentlichen Nahverkehrs in seinen Kartendienst. Dadurch wird Apple zum Mitbewerber von Entwicklern, die ÖV-Apps anbieten. Ein anderes Beispiel ist der Streaming-Dienst Spotify. Hier greift nun Apple mit Apple Music an. Entwickler laufen in solchen Fällen Gefahr, vom Gerätehersteller vom Markt verdrängt zu werden. Freie Entwickler müssen sich also ständig den Strategiewechseln der Plattformhersteller anpassen.
Wie unterstützt der Fachverband Simsa Schweizer Entwickler?
Wir sind daran interessiert, die Rahmenbedingungen attraktiv zu gestalten. In Zusammenarbeit mit dem Branchenverband Smama haben wir etwa den Best of Swiss App Award ausgeschrieben. Mit dem Award wollen wir die Entwicklercommunity und ihre Projekte ins Scheinwerferlicht holen. Entwickler gehen mit der Produktion einer App auch immer ein Erfolgsrisiko ein. Wir wollen diese Entwickler mit dem Preis belohnen. Sie erhalten mit dem Award eine bessere Visibilität am Markt.
Welche Möglichkeiten sehen Sie für Wearable-Apps im Unternehmensumfeld?
Da braucht es noch nicht mal eine Smartwatch, hier reicht bereits ein Schlüsselanhänger mit RFID-Chip oder eine Kreditkarte. Devices wie Uhren können aber wegen ihrer besseren Programmierfähigkeit mehrere Funktionen integrieren, etwa Zutrittsrechte, Tickets, oder Treuefunktionen beim Einkauf.
Hat Apple einen Enthusiasmus unter Entwicklern ausgelöst?
Bisherige Smartwatches wurden eher als Nerd-Gadgets angesehen. Die Apple Watch könnte dies ändern. Die App-Entwicklung wird eine ähnliche Hypekurve verfolgen wie bei den Smartphones. Zunächst werden zahlreiche neue Apps publiziert werden. In einer weiteren Phase wird sich dann die Spreu vom Weizen trennen. Letztlich werden aus der Fülle der Apps die meistgenutzen Anwendungen herausragen und den Markt bestimmen.
Welche Herausforderungen gilt es noch zu meistern?
Es gibt noch technische Hemmnisse wie den Energieverbrauch. Die Akkus der meisten Smartwatch-Modelle müssen nach einem Tag wieder aufgeladen werden. Eine grosse Herausforderung ist das Bedienerlebnis. Wie oft muss man beispielsweise auf einen Knopf drücken um eine bestimmte Aktion auszulösen? Durch die Zunahme an Computern – vom Wearable über das Smartphone bis zum PC – wird die integrierte Nutzererfahrung bedeutender. Nehmen wir ein Telefonat als Beispiel: Sie sind auf dem Weg zum Auto und sie sehen auf Ihrer Smartwatch, dass Sie angerufen werden. Sie nehmen das Gespräch an ihrem Smartphone entgegen. Im Auto sollte das Telefonat idealerweise von der Freisprechanlage übernommen werden, ohne dass Sie noch etwas tun müssen. Diese Übergänge von Gerät zu Gerät werden in Zukunft wichtiger werden. Das Problem hierbei ist, dass Wearables oft nur mit dem Smartphone aus dem eigenen Haus interagieren.