Wolfgang Eger im Interview

Was der Post-CIO zu den Übernahmen im Softwaremarkt sagt

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1700 Mitarbeitende umfasst die IT-Abteilung der Schweizerischen Post. Ihr Leiter, CIO Wolfgang Eger, sitzt seit Anfang des Jahres in der Konzernleitung. Im Interview sagt er, was er dort erreichen will, warum die Post unlängst so viele Firmen übernommen hat und wie es mit dem E-Voting-System seines Konzerns weitergeht.

Wolfgang Eger, CIO der Schweizerischen Post. (Source: zVg)
Wolfgang Eger, CIO der Schweizerischen Post. (Source: zVg)

Seit beinahe zwei Jahren beeinflusst die Pandemie unser Leben. Wie hat die Post-IT das zweite Coronajahr hinter sich gebracht?

Wolfgang Eger: Es waren nicht mehr ganz so viele neue und unbekannte Situationen. Das Homeoffice und der Umgang damit waren ja nicht mehr neu. Unser Fokus lag natürlich auch weiterhin darauf, die Betriebsstabilität zu gewährleisten. Das haben wir erneut geschafft und konnten so einen wichtigen Beitrag zu einer funktionierenden Grundversorgung leisten. Dies wollen wir auch künftig tun. 2021 war zudem auch das erste Jahr der Umsetzung unserer neuen Strategie «Post von morgen». Gerade als IT müssen wir neuen Bedürfnissen und Erwartungen gerecht werden und sind entsprechend gefordert.

Sie sind seit März 2019 CIO der Schweizerischen Post. Anfang dieses Jahres wurden Sie in die Konzernleitung berufen. Was ändert sich für Sie damit konkret?

Ich freue mich sehr über diesen Entscheid. Ich spüre damit auch das Vertrauen der Konzernleitung und des Verwaltungsrats, dass wir als IT ein wichtiger Partner sind. Mit dem direkten Sitz in der Konzernleitung sind wir als IT noch näher an den Geschäftsbereichen – nicht nur auf operativer Ebene, sondern eben auch auf der strategischen. Wir haben so die Möglichkeit, Themen aus technologischer Sicht früher mitzusteuern. Und es gibt uns die Chance, der Post auf dem Weg der digitalen Transformation als starker Technologiepartner zur Seite zu stehen.

Was wollen Sie in der Geschäftsleitung bewirken?

IT-Kompetenz wird in der Entwicklung der Post immer relevanter. Die Post will effizienter und schneller werden, sie will wachsen und neue digitalisierte Angebote an den Markt bringen. Da steckt überall sehr viel IT drin. Als Digitalisierungsmotor ist es das A und O, sehr nahe an unseren Kollegen in den Geschäftsbereichen zu sein und zusammen mit ihnen die Entwicklung voranzubringen. Nicht als Lieferant, sondern als Teil des Business. Diese Nähe wird gefordert und suchen wir ebenfalls – wir nennen dies "embedded IT".

Was heisst das genau? Und wo stehen Sie in diesem Prozess?

Wir wenden unseren Ansatz der "embedded IT" konsequent an. Wie man es von agilen Set-ups in der IT kennt, haben wir letztes Jahr damit angefangen, sogenannte "Cluster" entlang der Geschäftsthemen zu bilden. Das hilft uns dabei, entsprechende Teams aus allen benötigten IT-Fachrichtungen zusammenzustellen und direkt mit dem Business zu vernetzen. Wir erhalten dazu gutes Feedback. Deshalb werden wir diesen Weg weitergehen.

In der Mitteilung zu Ihrer Beförderung sprachen Sie von der Wichtigkeit der IT. Wie ist Ihre IT-Infrastruktur aufgebaut?

Wir verfügen über zwei moderne Rechenzentren mit je zwei Systemräumen, die redundant aufgebaut sind. Dabei verwalten wir knapp 2000 Betriebssysteme und rund 4000 Datenbanken.

Haben Sie Ausbaupläne bezüglich der IT-Infrastruktur?

Wir haben heute schon eine sehr gute, moderne und stabile Infrastruktur. Doch der Ausbau ist ein Dauerthema. Wir arbeiten laufend an der bestehenden IT-Landschaft – und zwar in dem Takt, den die Geschäftsbereiche der Post von uns erwarten. Hier helfen gerade bezüglich der richtigen Skalierung auch Cloud-Lösungen. Aber auch die Verteilung und Skalierung innerhalb der Schweiz ist ein Thema – die Post ist überall im Land präsent. Und das bedeutet auch ein steigendes Datenvolumen oder neue Bedürfnisse – etwa durch die wachsende Anzahl an Sortierzentren.

Derweil kommt es immer häufiger zu Cyberangriffen, auch auf grosse Unternehmen. Wie rüsten Sie sich gegen solche Bedrohungen?

Die Post investiert sowohl in bewährte Methoden als auch in innovative Konzepte, um die Sicherheit ihrer Produkte von allen Seiten zu beleuchten und zu optimieren. Wir überwachen die Sicherheitslage rund um die Uhr. Doch wir verstehen IT-Sicherheit nicht als Zustand, sondern als Prozess, denn eine 100-prozentige Sicherheit gibt es nicht. Die Post ist sich dessen bewusst. Auch deshalb suchen wir laufend nach neuen Ansätzen, wie wir unsere Dienstleistungen so sicher wie möglich machen können. Zudem gehen wir sehr offen mit dem Thema um, das entspricht unserer IT-Strategie. Wir haben bereits im Jahr 2020 ein öffentliches Bug-Bounty-Programm lanciert. Unsere digitalen Dienstleistungen lassen wir durch ethische Hacker auf Herz und Nieren prüfen.

In letzter Zeit kaufte die Post im Digitalbereich immer wieder zu. Zu reden gaben etwa die Übernahmen von Klara, Tresorit oder Bring. Was steckt hinter dem Kaufrausch?

Wir sind nicht im Kaufrausch, sondern verfolgen eine fokussierte Strategie. Wir müssen in der Logistik und in den digitalen Dienstleistungen wachsen, damit wir auch in Zukunft Gewinne für den Service public erzielen und die Grundversorgung selbst finanzieren können – und zwar ohne Steuergelder. Dort, wo es sinnvoll ist, ergänzt die Post das Wachstum mit externen Firmen, die wir entlang unseres Kerngeschäfts gezielt übernehmen. So sichern wir uns wichtiges Know-how, statt es uns über Jahre selbst anzueignen. Denn diese Zeit haben wir nicht.

Schweizer Softwarehersteller wie etwa Abacus kritisieren das aggressive Akquisitionsverhalten. Die Post kaufe Unternehmen auf, die nichts mit dem Kerngeschäft zu tun hätten. Was entgegnen Sie?

Was Sie ansprechen, sind die Übernahmen von Firmen wie Livesystems und Klara. Sie ergänzen unsere Dienstleistungen in den Kernmärkten Logistik und Kommunikation sinnvoll. Wir sind überzeugt, dass sich diese Akquisitionen sowohl innerhalb der rechtlichen Vorgaben bewegen als auch den strategischen Zielen des Bundesrats an die Post entsprechen. Aber es ist selbstverständlich das Recht eines jeden Wettbewerbers, eine gegensätzliche Meinung zu haben.

Vor Kurzem wurde auch Swisssign zu einem Tochterunternehmen der Post. Warum war dieser Schritt nötig?

Als Post wollen wir das Postgeheimnis in die digitale Welt transferieren. Die Dienstleistungen von Swisssign – Zertifikate, E-Signaturen und digitale Identität – spielen eine wichtige Rolle für die Post und passen zu unserer Strategie. Swisssign bietet schon heute das bewährte und sichere Login für sämtliche Onlinedienstleistungen der Post. Wir wollen diesen Zugang – das digitale Tor zur gelben Welt – in den eigenen Händen halten und weiterentwickeln.

Die SBB werfen die Swiss-ID als Login beim Swisspass raus. Damit springt einer der grössten Swiss-ID-Kunden ab. Befürchten Sie nun einen Exodus?

Natürlich bedauern wir es, wenn sich ein Kunde anders entscheidet. Aber wir sind überzeugt, dass die Swiss-ID für die Menschen und die Unternehmen in der Schweiz eine sichere und einfache Lösung ist. Und wir sind nach wie vor überzeugt, dass es im ID-Geschäft sinnvoll ist, wenn sich die staatsnahen Betriebe zusammenschliessen, um die Schweiz in der Digitalisierung vorwärtszubringen. Wir sind und bleiben mit den SBB weiterhin im Gespräch.

Aktuell arbeitet der Bund an einem neuen Anlauf zur E-ID. ­Beteiligt sich die Post – allenfalls durch Swisssign – an diesem Prozess?

Lassen Sie mich etwas ausholen: Mit unserer Strategie "Post von morgen" wollen wir die Rolle der vertrauenswürdigen, unabhängigen Vermittlerin zwischen der physischen und digitalen Welt übernehmen. Auch da, wo es um die zunehmend digitale Kommunikation zwischen Behörden und den Bürgerinnen und Bürgern geht. Als bundesnahes Unternehmen mit landesweiter Verankerung ist die Post für diese Art von Dienstleistung prädestiniert. Wir wollen den heute meist physischen Service public weiterentwickeln, zukunftsfähig machen und auch digitalisieren. Wenn Bund, Kantone und die Bürgerinnen und Bürger wollen, dass ein bundesnahes Unternehmen Teil der künftigen E-ID-Lösung ist, werden wir dafür bereit sein.

Auch bei einem anderen heissen Eisen beim Bund, dem E-Voting, arbeitet die Post an einer Lösung. Nachdem die Post und das E-Voting-System teils heftig kritisiert wurden, ist es diesbezüglich stiller geworden. Wie nehmen Sie die Stimmung aktuell wahr?

Es ist nicht an uns, die politische Wetterlage zu kommentieren. Der Bundesrat möchte, dass die Kantone wieder Versuche mit der elektronischen Stimmabgabe durchführen können. Die rechtlichen Grundlagen dazu sind beim Bund in Arbeit. Derweil entwickeln wir unser neues E-Voting-System mit vollständiger Verifizierbarkeit wie geplant weiter. Wir legen dieses seit einem Jahr etappenweise offen, auch ein Bug-Bounty-Programm gehört dazu. Expertinnen und Experten weltweit können die Software prüfen und testen. Das wird geschätzt. Wir wollen zusammen mit der internationalen Fachwelt jede Schwachstelle aufdecken, korrigieren und das System stets auf möglichst hohem Sicherheitslevel halten.

Was ist der Plan in Sachen E-Voting?

Ab Ende 2022 soll das neue E-Voting-System der Post für interessierte Kantone bereitstehen. Die Kantone entscheiden aber selbst, ob und wann sie es einsetzen möchten. Als CIO bin ich hier in der Rolle des Dienstleisters. Seitens IT stellen wir zusammen mit dem Kryptografie-Zentrum in Neuenburg die benötigten Ressourcen zur Verfügung.

Was glauben Sie: Wann wird Ihr System erstmals an der Urne eingesetzt werden?

Ich muss Sie enttäuschen: Weder haben wir eine Kristallkugel noch ist es an uns, Prognosen zu machen. Wir sind die Systemanbieterin für E-Voting in der Schweiz und stellen die Technologie dafür bereit. Wann aber unser neues System zum Einsatz kommt, entscheidet die Politik.

An welchen weiteren Projekten wird im Kryptografie-Kompetenzzentrum in Neuenburg gearbeitet?

In Neuenburg bauen wir unsere Kompetenzen für die Einrichtung von Lösungen für den sicheren Datenaustausch auf und setzen sie in die Praxis um. Ein Beispiel dafür ist Incamail, der sichere E-Mail-Dienst der Schweizerischen Post für den Versand von vertraulichen Informationen.

Drohnen, Lieferroboter, autonome Postautos – die Post hat in den vergangenen Jahren viele Experimente angefangen und manche wieder abgebrochen. Was bleibt von all diesen Versuchen – abgesehen von der Erfahrung und der Einsicht, dass sich vieles davon wohl kaum gewinnbringend vermarkten lässt?

Schauen Sie: Wer nichts versucht, gewinnt auch nichts. All diese Projekte helfen der Post, sich mit neuen Themen zu beschäftigen. Sie bringen uns nicht nur auf technologischer Ebene weiter, sondern helfen uns auch dabei, gesetzliche Grundlagen zu verstehen oder Zeitpunkte zu erkennen, wann diese Innovationen auch wirklich breitflächig zum Einsatz kommen. Unser Ziel ist es, mehr Innovation dort zu betreiben, wo wir sie ergänzend zu unserem Kerngeschäft einsetzen können. Hier sind wir dran – etwa mit IoT-Lösungen oder autonomen Robotern, die innerhalb von Gebäuden Waren transportieren. Unsere Indoor-Roboter entlasten derzeit das Personal im Spital Nyon, im Ospedale Civico in Lugano sowie in der Zürcher Schulthess Klinik – und das mit Erfolg.

Sind weitere Innovationsprojekte in der Pipeline?

Jede Menge. Wir sind laut Weltpostverein die beste Post der Welt und wollen es auch bleiben. Wir prüfen auch weiterhin Innovationen, probieren Neues aus und setzen es im Alltag ein – ob selbst oder zusammen mit Partnern. Bitte verzeihen Sie mir, wenn ich nicht aus dem Nähkästchen plaudere. Aber sobald wieder etwas spruchreif ist, werden wir auch Sie informieren.

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