Noser: "Es muss möglich sein, im Internet seine Meinung zu äussern"
Die Piratenpartei Schweiz hat den Bundesrat dazu aufgefordert, ein Asyl für Julian Assange zu prüfen. ICTswitzerland-Präsident Ruedi Noser unterstützt diese Forderung. Gegenüber dem Netzticker erklärt er seine Beweggründe - und übt harsche Kritik an Postfinance.

Herr Noser, die Piratenpartei Schweiz fordert in einem offenen Brief den Bundesrat dazu auf, ein Asyl für Wikileaks-Gründer Julian Assange zu prüfen. Sie haben das Schreiben mitunterzeichnet. Warum sollte die Schweiz Assange beherbergen?
Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut. Die Schweiz gehörte im 19. Jahrhundert zu den ersten Staaten, die sich aktiv gegen die Zensur und für die freie Veröffentlichung von Informationen und Meinungen eingesetzt hat. Und auch heute noch nimmt die Schweiz im internationalen Vergleich diesbezüglich eine Spitzenposition ein. Diese wichtige historische Errungenschaft muss auch im digitalen Zeitalter verteidigt werden. Es muss möglich sein, im Internet seine Meinung frei zu äussern und Informationen zu publizieren, ohne dafür verfolgt und unter Druck gesetzt zu werden. Hier soll sich die Schweiz für verfolgte Personen einsetzen. Das gilt allerdings nicht für strafrechtliche Vergehen, die von Herrn Assange allenfalls begangen worden sind. Es geht alleine um die Verteidigung der Presse- und Meinungsäusserungsfreiheit auch im Internet.
Im Aufruf ist von einer "medialen Kampagne gegen Wikileaks" die Rede. Wichtige Leitmedien wie die New York Times, der Guardian und der Spiegel spielen in der Cablegate-Affäre aber eine zentrale Rolle. Ist das nicht ein Widerspruch?
Ich habe die Autoren des Briefes auf diesen Widerspruch aufmerksam gemacht. Das war für mich jedoch kein Grund, den Brief nicht zu unterzeichnen. Denn die Freiheit – in diesem Fall konkret die Pressefreiheit – ist ein viel zu wichtiges Gut, als dass man deren Verteidigung einfach „exotischen“ Piratenparteien überlassen kann. Hier sind wir alle gefragt. Es braucht ein breit abgestütztes Zeichen.
Im Brief steht, dass der investigative Journalismus in den letzten Jahren aus Kostenzwängen vernachlässigt worden sei und Wikileaks nun in die Bresche springen müsse. Hat die Schweizer Medienlandschaft in ihrer Wächterrolle also versagt?
Der Recherchierjournalismus hat in den vergangenen 30 Jahren eindeutig abgenommen. Die Medien stehen unter enormem Kostendruck und sind deshalb gezwungen, ihre News möglichst kostengünstig zu produzieren. Für aufwendig recherchierte Berichte fehlt oft das Geld. Auch gibt es immer weniger Fachjournalisten und mehr Allrounder, da aufgrund von massiv zusammen gekürzten Redaktionen jeder etwas von allem verstehen und darüber schreiben können muss. Aber ich denke hier hat nicht die Medienlandschaft versagt sondern die Leserschaft, die heute nicht mehr bereit ist, für guten Journalismus zu bezahlen.
Auch heisst es, es sei davon auszugehen, dass Switch wegen Wikileaks.ch unter Druck gesetzt worden sei. Gegenüber dem Netzticker hat der Domain-Registrar dies aber explizit verneint. Wer hat denn nun Recht?
Ob hier in vorauseilendem Gehorsam Systeme abgeschaltet worden sind oder ob dies auf äusseren Druck hin geschehen ist, kann nicht gesagt werden. Klar ist einzig, dass an verschiedenen Stellen sehr schnell reagiert worden ist, ohne dass irgendwelche richterlichen Beschlüsse vorliegen würden und damit auch keine Berufung eingelegt werden kann. Unser Rechtsstaat verlangt aber nach solchen rechtlichen Abläufen und Einsprachmöglichkeiten.
[Update: Switch weist in einem E-Mail an die Redaktion nochmals ausdrücklich darauf hin, dass Wikileaks.ch nach wie vor online sei. "Bis heute wurden von uns keinerlei «Systeme abgeschaltet», wie im Interview suggeriert wird", so der Domain-Registrar. Mehr dazu auch in der oben verlinkten Medienmitteilung von Switch.]
Unternehmen wie PayPal, Amazon, EveryDNS, Mastercard und Visa haben Wikileaks ihre Dienste untersagt. Auch Postfinance hat Julian Assange den Geldhahn abgedreht. Halten Sie die Intervention des Schweizer Finanzdienstleisters für berechtigt?
Ich bin doch recht erstaunt darüber, dass Postfinance über Beziehungen zu Kunden öffentlich kommuniziert. Bis heute bin ich eigentlich davon ausgegangen, dass es ein Bankkundengeheimnis gibt. Ich nehme nicht an, dass von Kunden von Postfinance dieses Vorgehen gutgeheissen wird. Es geht doch niemanden etwas an, wenn Person xy oder Unternehmen wz das Konto gesperrt wird.
Ihr überparteiliches Komitee ruft nach einer "konsequenten und kompromisslosen Digitalpolitik" - was verstehen Sie darunter?
Die Presse- und Meinungsäusserungsfreiheit muss auch auf dem Internet gewährleistet sein. Personen oder Organisationen, die dem Staat gegenüber kritisch eingestellt sind, muss es möglich sein, Informationen zu veröffentlichen und ihre persönliche Meinung zu äussern, ohne dadurch vom Staat unter Druck zu geraten. Ihre Kommunikationsplattformen dürfen nicht einfach ohne richterlichen Beschluss abgeschaltet werden.
Bundesrat Johann Schneider-Ammann hat auf Radio Basel eine Abschaltung von Wikileaks gefordert. Stehen Sie parteiintern mit ihren Anliegen nicht auf verlorenem Posten?
Nein, ich denke auch Bundesrat Schneider-Ammann wird sich für die Meinungs- und Pressefreiheit einsetzen.

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