Swico Winner Talk 2021

Flughafenreisen, Shopping-Community, E-Commerce für die Baustelle und digitale Topografie

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von Colin Wallace und lha

Am Swico Winner Talk haben die Sieger von Best of Swiss Web 2021 und Best of Swiss Apps 2021 über die Umsetzung ihrer Projekte gesprochen. Dabei stellten sie sich den Fragen des Publikums dazu, was eine App braucht, um erfolgreich zu sein und was sie beim nächsten Mal anders machen würden.

Christian Hahnloser und Nico Castagna zeigten, was hinter der neuen Plattform des Flughafens Zürich steckt. (Source: Netzmedien)
Christian Hahnloser und Nico Castagna zeigten, was hinter der neuen Plattform des Flughafens Zürich steckt. (Source: Netzmedien)

Was braucht eine App, um erfolgreich zu sein? Welche Stolpersteine gibt es bei der Entwicklung? Was ist wichtig für eine effektive Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und -nehmer? Diesen und weiteren Fragen stellten sich die Teilnehmenden des Swico Winner Talks 2021, der am 7. Dezember im Marriott Hotel in Zürich stattfand.

Der jährliche Winner Talk im Anschluss an die Award-Nights von Best of Swiss Web und Best of Swiss Apps hat Tradition. In diesem Jahr gab es gleich zwei Neuerungen. Einerseits kombinierte der Swico die Winner Talks zu Best of Swiss Web und Apps – bislang fanden sie gesondert statt – andererseits konnten Interessierte dem Event auch virtuell im Livestream beiwohnen. Die Aufzeichnung ist weiterhin online verfügbar.

Der Winner Talk dient dazu, Details zu den einzelnen Projekten näher zu beleuchten, die an den Award-Nights nicht so zum Tragen kommen, wie Giancarlo Palmisani, Leiter Verbandsdienstleistungen beim Swico zur Eröffnung sagte.

Der Flughafen ist nicht nur zum Fliegen da

Als erstes sprachen die Macher der digitalen Plattform des Flughafen Zürich über die grundlegenden Gedanken hinter ihrer Progressive Web App. Die zentrale Fragestellung lautete: "Wie können wir unsere Gäste, egal ob Passagiere, Shopper oder Staff, während ihres Aufenthaltes am Flughafen begleiten?", wie Nico Castagna, Head Customer Experience & Digital Design beim Flughafen Zürich, erklärte. Die Antwort: eine digitale Plattform, basierend auf User Journeys – etwa von der Reisevorbereitung bis zur Rückkehr.

Die Plattform drehe sich also nicht nur ums Reisen, sondern beispielsweise auch um die kommerzielle Seite des Flughafens wie kulinarische Angebote. Die grosse Herausforderung sei es gewesen, die vielen verschiedenen Anspruchsgruppen abzubilden und ihnen die richtigen Inhalte zur richtigen Zeit zu liefern. Dies erreichten die Projektbeteiligten durch verhaltensbasierte, kontextbasierte sowie profildatenbasierte Personalisierung.

Giancarlo Palmisani, Leiter Verbandsdienstleistungen beim Swico, führte durch den Winner Talk. (Source: Netzmedien)

Ein ganz wichtiger Punkt bei der Entwicklung sei die Verarbeitung der Flugdaten gewesen, sagte Christian Hahnloser, Principal Consultant bei Unic. Es sei eine der zentralen Funktionen der Plattform und werde entsprechend am meisten genutzt. Dazu habe Unic eigens einen Flugdatenservice entwickelt und integriert. Dieser müsse in der Lage sein, eine grosse Datenmenge zu verarbeiten.

Auf die Frage, welche Faktoren zum Erfolg des Projekts beigetragen hätten, nannte Hahnloser das Schlagwort Partnerschaft. Zudem sei die Idee auf Seiten des Flughafens bereits zu Beginn sehr ausgereift gewesen, was sich positiv auf das Projekt ausgewirkt habe. Castagna ergänzte, dass die transparente Kommunikation massgeblich zum Erfolg des Projekts beigetragen habe.

Projekte in dieser Grössenordnung sind selten ohne Stolpersteine. Dazu Hahnloser: "Wir müssen die Einbindung der IT auf Kundenseite enger begleiten." Zudem sei der Zeitrahmen mit zehn Monaten etwas knapp bemessen gewesen.

Fünf Sterne für die Community

Migipedia existiere bereits seit 2010. Seither habe sich viel verändert, erklärte Philipp Bühler, Product Manager beim Migros-Genossenschafts-Bund. So sei die Community-Idee der Migipedia über die Jahre nicht mehr deckungsgleich mit dem tatsächlichen Produkt gewesen. Beispielsweise konnten User dasselbe Produkt auf drei verschiedenen Migros-Touchpoints jeweils auf drei verschiedene Arten bewerten.

Philipp Bühler gab einen Einblick in die Entwicklung der neuen Migipedia. (Source: Netzmedien)

Heute sei Migipedia auf 13 verschiedenen digitalen Touchpoints anzutreffen. Die Migipedia sei dadurch mehr als eine Plattform - sondern eine "Migros-Community." Das helfe, Werte zu schaffen, die über blosse Klickzahlen hinausgehen. Es entstehe ein Feedback-Loop zwischen der Migros und ihrer Kundschaft, von dem beide Parteien profitieren.

Personalisierung habe einen grossen Einfluss auf den Erfolg des Projekts, erläutert Peter Manser von Smartive. So empfehle die PWA Nutzenden nur noch Produkte zur Bewertung, wenn sie diese auch gekauft haben. Diese Vorgehensweise führte zu einem stärkeren Engagement auf Nutzerseite. In Bezug auf die Zusammenarbeit mit der Migros lobte Manser den Mut und die Lust zur Innovation.

Unterstützung erhielt er dabei von Peter Manser. (Source: Netzmedien)

Gerne hätte man bei der Planung und Entwicklung mehr datenbasiert gearbeitet, führt Bühler weiter aus. Doch bei einem kleinen Team von acht Personen und einer Projektlaufzeit von drei Monaten sei dies schwierig gewesen. Bei der Entwicklung hätten sich die Partner daher oft auf ihr Bauchgefühl verlassen.

Sprachgesteuert zur Glühbirne

Der Grosshändler Elektro-Material war schon früh im App-Business dabei. Nämlich mit einer WAP-Applikation im Jahr 2000. Hinter der "EM.App" stand gemäss Pascal Willi, Leiter Digital Commerce bei Elektro-Material, ein einfaches Ziel: Das Leben der Kundschaft einfacher zu machen. Wie das funktioniert? Mit einer App, die eine einfache Bestellabwicklung ermögliche, Pre- und After-Sales-Prozesse abbilde, bei Bestellungen unterstütze sowie Hilfsmittel für Kundinnen und Kunden im Verkaufsgespräch mit ihrer eigenen Kundschaft bereitstelle.

Im B2B-Bereich habe E-Commerce andere Herausforderungen zu bewältigen als B2C-Onlineshops. Schalter und Steckdosen hätten keinen emotionalen Wert, der Einkauf gehöre zum Tagesgeschäft. Der B2C-Bereich hingegen setze beim Einkaufserlebnis auf Emotionalität. Deshalb sei eines der Hauptziele, dass Kunden und Kundinnen schnell und effizient bei Elektro-Material einkaufen können, sagte Willi.

Der Erfolg der App sei unter anderem auf die Leidenschaft des ganzen Teams sowie auf den starken Kundenfokus zurückzuführen. Um die Pain Points der Kundschaft zu verstehen, besuche Elektro-Material jährlich 50 Unternehmen vor Ort. Diese Erfahrungen seien in die Entwicklung der App eingeflossen.

Pascal Willi und Jakob Magun erklärten, worauf es bei der Entwicklung von B2B-Apps ankommt. (Source: Netzmedien)

Ein Resultat dessen war die Implementierung von Voice-, AR- oder Offline-Funktionalitäten. So könnten Installateure auf der Baustelle sprachgesteuert Bestellungen aufgeben oder vor Ort testen, wie denn der Schalter vor Ort aussehen wird.

Wesentlicher Teil des Erfolgs einer App macht gemäss Jakob Magun, Gründer von MP Technology, die Vision aus. Dazu gehörten eben beispielsweise AR- oder Voice-Funktionalitäten. Doch das Auge fürs Detail sei genauso entscheidend: "Das sind nicht die glamourösen Sachen, mit denen man einen Award gewinnt, sondern dass die App einfach funktioniert." Sehr wertvoll sei auch ein iterativer Verbesserungszyklus.

Auf die Frage aus dem Plenum, weshalb der Onlineshop auch offline verfügbar sei, antwortete Willi: "Weil es im Keller keinen Empfang gibt. Nicht jede Baustelle ist erschlossen. Vor drei, vier Jahren kosteten mobile Daten ausserdem noch viel Geld." Heute sei die Funktion eher ein Gadget – vor einigen Jahren jedoch wertvoll für die Kunden.

Über Stock und Stein

Zuletzt sprachen die Macher des Master of Swiss Apps darüber, was ein erfolgreiches Projekt ausmacht. Angefangen mit Lithografie und Kupferstich, dann Vierfarbdruck per Glasgravur, über CAD-Zeichnungen und DVDs bis zur App: Das Bundesamt für Landestopografie Swisstopo hat seine Daten der Schweizer Bevölkerung bereits über viele Wege zugänglich gemacht. Die neue Swisstopo-App gibt es seit 2021. Swisstopo realisierte das Projekt gemeinsam mit Ubique Innovation.

Christoph Streit gab dem Publikum zum Einstieg einen Einblick in das Schaffen von Swisstopo. (Source: Netzmedien)

Der Mehrwert der App gemäss Christoph Streit, Leiter Produktmanagement bei Swisstopo: "Wir publizieren das Landkartenwerk auf eine coole, moderne Art." Die App diene somit auch als Schaufenster für die Leistungen von Swisstopo. Streit betonte, dass mit der App auch jüngere Zielgruppen angesprochen würden, was ein explizites Ziel sei.

Diverse Faktoren hätten zum Erfolg der App beigetragen, darunter ein gesunder Respekt vor der Aufgabe. Vor allem auch "viel Herzblut beim Testen". Dazu habe sich das Team auch bei Wind und Wetter nach draussen gewagt. Die Zusammenarbeit sei äusserst positiv verlaufen, sagte Andrea Bühler, Produktmanagerin bei Swisstopo. Bei Aufträgen der öffentlichen Hand lägen auch mal komische Steine im Weg – Ubique Innovation habe stets Verständnis für die Vorgaben des Bundes gezeigt.

Olive Wetter, Projektleiter und Nicolas Märki, Verantwortlicher iOS bei Ubique Innovation. (Source: Netzmedien)

Eine grosse Herausforderung: Die Konkurrenz – allen voran die zwei grössten amerikanischen Anbieter, so Olive Wetter, Projektleiter bei Ubique Innovation. Deswegen legten die Macher den Fokus darauf, Alleinstellungsmerkmale zu schaffen, etwa den Fokus auf die Nutzung im Freien.

Auf die Frage, was sie beim nächsten Mal anders machen würden, antworteten sowohl Swisstopo als auch Ubique Innovation: Nicht viel. Der Erfolg gebe ihnen Recht – seit der Lancierung konnten sie bereits über eine Million Downloads verzeichnen. "Einige Dinge könnte man immer anders machen. Aber richtig priorisieren ist genau so wichtig", ergänzte Wetter. Denn Zeit und Ressourcen habe man immer zu wenig.

Weitere Geheimnisse über die Entwicklung der Swisstopo-App verraten die Verantwortlichen von Swisstopo im Interview. Auch sowie Ubique Innovation gibt im Interview Einblicke.

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