Zum internationalen Frauentag

Lohngleichheit, Diversität, Wertschätzung - so gewinnen Firmen mehr Frauen für die IT

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Am 8. März ist internationaler Frauentag. Doch in der Schweizer ICT-Branche herrscht wenig Feierlaune, denn der Anteil an Informatikerinnen liegt bei knapp 16 Prozent. Das können Unternehmen dagegen tun.

(Source: artisticco / iStock.com)
(Source: artisticco / iStock.com)

Der niedrige Frauenanteil in der Schweizer IT ist seit Jahren ein Thema. Das Bundesamt für Statistik (BFS) bezifferte den Anteil an erwerbstätigen ICT-Spezialistinnen im Jahr 2022 auf 15,9 Prozent. Bei insgesamt 267'491 ICT-Fachkräften entspricht das 42'592 Spezialistinnen. Der Anteil ist leicht gestiegen, aber noch immer bescheiden.

Dass es in der Schweiz so wenige Informatikerinnen gibt, bemängelte der Branchen-Dachverband ICTswitzerland bereits 2017. Auch 2020 hat sich der Verband wieder besorgt gezeigt. Ein grosser Teil der Frauen sei derzeit in typischen KV-Berufen tätig, die künftig stark unter Druck geraten werden. Bei den Informatikausbildungen seien Frauen dagegen kontinuierlich untervertreten. Dabei wächst durch die Digitalisierung der Bedarf an Fachkräften in allen MINT-Fächern, besonders aber in der Informatik.

Während Corona sank die Nachfrage nach IT-Fachkräften etwas. Doch gemäss einer Studie der Universität Zürich und Adecco erreichte der IT-Fachkräftemangel im Lauf des Jahrs 2021 wieder das Niveau von vor Corona. Dabei sieht sich die ganze Welt mit dem Problem und dem kleinen Frauenanteil unter den IT-Fachkräften konfrontiert, wie aus einer Studie von Harvey Nash hervorgeht.

Nerd-Image ist kontraproduktiv

Warum ist der Frauenanteil in der Schweizer IT heute also noch immer so tief? Dies hat mehrere Gründe, wie Zerrin Azeri, Associate Director beim Personalvermittler Robert Half 2020 erklärte. Erstens sei der Frauenanteil in technischen Berufen generell niedrig, was auch an einem Rückstand bei der Ausbildung liege. Zweitens verdienten Frauen in IT-Berufen in der Schweiz immer noch weniger als ihre männlichen Kollegen.

Der dritte Grund: Das Image der IT sei nicht attraktiv für Frauen, es fehle an Vorbildern. "Zugespitzt ausgedrückt: Frauen wollen keine schrulligen Nerds in Birkenstocksandalen sein, die irgendwo in einem Büro allein vor sich hin programmieren", sagt Azeri. Viertens spreche die männlich geprägte Kultur in vielen IT-Abteilungen Frauen nicht an.

Aus den Gründen für den Mangel an Informatikerinnen leitet Azeri auch die Massnahmen dagegen ab. Sie empfiehlt Unternehmen:

  • Die Saläre der Frauen denen der Männer anzupassen

  • Flexible Arbeitsmodelle anzubieten, die Bedürfnisse von Frauen erfüllen

  • Frauen in IT-Führungspositionen zu berufen

  • Weiterbildungsmöglichkeiten und Mentorinnenprogramme zu schaffen

  • Bewerber und Bewerberinnen im Einstellungsprozess geschlechterneutral zu selektieren

 

"Startupticker.ch" hat zum Weltfrauentag 2020 eine Karte mit 120 Schweizer Start-ups publiziert, deren CEOs weiblich sind. (Quelle: startupticker.ch)

Auf die Kultur kommt es an

Eine wichtige Rolle spielt die Unternehmenskultur. Frauen schätzten Kulturen der Diversität und der Inklusion, sagt Zerrin Azeri. Ein besonderes Augenmerk legten sie zudem auf partizipative, transparente Führungsstile und eine aktive Förderung der Mitarbeitenden.

IT-Abteilungen seien aber häufig sehr männlich besetzt und geprägt, so Azeri weiter. Deren Strukturen seien sehr klassisch, um nicht zu sagen althergebracht. Frauen erwarteten aber, dass man ihnen gleich viel zutraut wie den Männern. In traditionell hierarchischen Strukturen sei dies oft nicht der Fall. "Erhöht sich der Anteil der Frauen im Unternehmen und vor allem der weiblichen Führungskräfte, brechen viele Grenzen, vor denen Frauen stehen, auf und die Unternehmenskultur ändert sich zum Vorteil beider Geschlechter", sagt Azeri.

Auch Gabriela Keller, Geschäftsführerin von Ergon Informatik, ist überzeugt, dass gemischte Teams die besten Ergebnisse liefern können. "Diversität fördert gute Lösungen", erklärte sie im Interview mit der Redaktion. "Insofern verpasst die IT-Branche hier heute noch eine Chance, hat aber grosses Potenzial, sich zu entwickeln." In einer Studie kommt Capgemini ebenfalls zum Schluss, dass Diversität eine Chance ist, die in Tech-Berufen derzeit kaum wahrgenommen wird.

Auch "Danke" sagen will gelernt sein

Unabhängig vom Geschlecht: Wollen Führungskräfte ihre Mitarbeitenden zu Höchstleistungen motivieren, sollten sie laut Robert Half öfters mal "Danke" sagen. Zum internationalen "Employee Appreciation Day" am 6. März gab Zerrin Azeri Tipps, wie Vorgesetzte mit vergleichsweise wenig Aufwand ihren Angestellten Anerkennung zeigen können:

  1. Positives Feedback geben: Nehmen Sie sich Zeit, unmittelbares Lob auszusprechen. Der Effekt verpufft, wenn Sie erst drei Wochen nach einem gelungenen Projektabschluss Ihre Anerkennung zeigen.

  2. Einen freien Nachmittag oder zusätzlichen Urlaub anbieten: Mehr Freizeit ist bei Schweizern sehr beliebt. Genehmigen Sie nach erfolgreichen Projekten einen freien Nachmittag oder zusätzliche Urlaubstage.

  3. Kleine Feiern im Büro veranstalten: Erfolge feiern sich am besten gemeinsam. Laden Sie zum gemeinsamen Mittagessen ein oder sorgen Sie in Meetings für das entsprechende Catering.

  4. Mitarbeitende auszeichnen: Gibt es Programme in Ihrem Unternehmen, die Mitarbeitende auszeichnen?

  5. An Geburtstage, Jubiläen und andere Feiertage denken: Ein Blumengruss oder eine kleine Schokolade zum Geburtstag oder einem anderen Jubiläum verfehlen die Wirkung nicht. Sie zeigen damit, wie wichtig Ihnen der Mitarbeitende auch als Person ist.

Um spezifisch den Frauenanteil in IT-Berufen in den einzelnen Unternehmen zu erhöhen, haben Comitas, die SATW und das Network of Women in Computer Science vier Handlungsansätze empfohlen:

  • Offene Kommunikation: Für einen vertrauenswürdigen Eindruck empfiehlt die Studie eine transparente interne wie auch externe Kommunikation. Dadurch soll ebenfalls die Philosophie des Unternehmens besser vermittelt werden können.

  • Networking fördern: Ein gegenseitiger Austausch unter Fachkreisen und der Aufbau eines branchenübergreifenden Netzwerkes von ICT-Spezialistinnen soll laut Studie die Sichtbarkeit und Rekrutierung weiblicher Mitarbeiterinnen erhöhen.

  • Flexible Arbeitsmodelle: Berufliche Rahmenbedingungen sind für Frauen oftmals ausschlaggebend, wenn es um die Berufswahl geht. Empfohlen werden daher flexible Arbeitsmodelle wie Homeoffice-Lösungen und flexible Arbeitszeiten.

  • Recruitment-Events: Der informelle Austausch und gegenseitiges Kennenlernen sollen auf Berufsmessen und Recruitment-Events verstärkt werden. Empfohlen wird dabei ein Diversity-freundliches Auftreten der Unternehmen mit ebenfalls angepasster Kommunikation. Ebenso sollen Förderprogramme dazu beitragen, die Hürden für die Ausübung zu vermindern.

Initiativen und Förderprogramme

Es gibt unterdessen verschiedene Initiativen und Förderprogramme, um Mädchen und Frauen mehr für MINT-Berufe zu begeistern. Der Verein Women in Cyber veranstaltet jährlich den "Women in Cyber Day", um Frauen für Cybersecurity zu begeistern. 2023 brachte der Anlass rund 100 Interessierte in Bern zusammen.

Die Hochschule für Wirtschaft Zürich lancierte im Sommer 2023 den CAS "Women Leading Digital". Die Weiterbildung richtet sich an Frauen in Führungspositionen in Tech-Unternehmen.

Microsoft baute 2023 sein "Cyber School"-Programm aus, um insbesondere Frauen den Einsteig in die Security-Branche zu erleichtern.

Die SATW führt jedes Jahr ihr Mentoringprogramm Swiss TecLadies durch. Das Programm bietet Mädchen und jungen Frauen zwischen 14 und 19 Jahren die Möglichkeit, Wissenschaft und Technik zu erforschen und sich für MINT-Berufe zu begeistern. Die Anmeldefrist für das diesjährige Programm läuft noch bis zum 1. April 2024.

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DPF8_173019

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